Erinnerungen an den Antifaschisten Helmut Qualtinger
von Gerhard Bruny
Im Herbst 1974 hatte ich das Glück, im legendären Wiener Innenstadtlokal „Club Gutruf“ (Milchgasse 1) Helmut Qualtinger kennenzulernen. Der Chef des an Mozarts ehemaliger Wohnadresse beheimateten Clubs, Rudi Wein, ehemaliger KZ-Häftling, Kommunist und glühender Unterstützer der DDR an allen Fronten, stellte mich vor. Es war ein Vergnügen, Qualtinger zuzuhören – und bewundernswert, wie geduldig er in Diskussionen argumentierte. Überaus belesen, von stupender Allgemeinbildung und interessiert an allem Politischen und Menschlichen, war er genau das Gegenteil des in der idiotisierten Öffentlichkeit gepflegten Bilds vom bladen „Herrn Koarl“.
Zu Qualtingers antifaschistischer Grundhaltung, die nur zu gerne im Kolportagestil der über ihn kursierenden Wanderanekdoten vergessen wird, lohnt es sich nach wie vor, André Heller zu zitieren: „Helmut hatte etwas, das ich bei einem Nichtopfer des Nationalsozialismus nur sehr selten derart ausgeprägt sah: einen geradezu tobsüchtigen Ekel vor dem Faschismus und dem mörderischen Hitlerdreck.“
Ein Beispiel: Anfang 1975 entfachte die neofaschistische ANR (Aktion Neue Rechte) ihren Terror an der Wiener Universität. Die ANR-Schläger verprügelten gezielt linke Studenten, sprengten Veranstaltungen, holten bekannte Neonazis als Referenten und schmierten Naziparolen. In dieser Situation hielt der Kommunistische Studentenverband (KSV) konsequent dagegen und organisierte eine kulturelle Großveranstaltung, um die Hegemonie der Antifaschisten an der Universität zu demonstrieren. Der damalige Sekretär des KSV, Herbert Kaizar, wusste von meiner Bekanntschaft mit Qualtinger und bat mich, ihn als Mitwirkenden für die Veranstaltung zu gewinnen. Qualtinger sagte sofort zu.
An diesem 12. Mai 1975, einem Montag, war das Audimax der Universität Wien bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Veranstaltung gegen die neofaschistische Hetze hatte den Titel „Soyfer Collage“. Die „Schmetterlinge“ hatten Texte Jura Soyfers vertont und sangen auch sein „Dachaulied“. Qualtinger las aus Soyfers lange verschollenem Romanfragment „So starb eine Partei“, einer scharfen literarischen Abrechnung mit der sozialdemokratischen Führung der Zwischenkriegszeit und ihrer Kapitulation vor dem Klassenfeind. Willi Resetarits, damals Frontmann der „Schmetterlinge“, erinnerte in seiner Sendung „Trost und Rat“ im September 2011 an diese legendäre Veranstaltung und strich Qualtingers Verdienste um die Wiederentdeckung des Werks von Soyfer heraus.
30 Jahre nach Qualtingers Tod werden nun in den bürgerlichen Gazetten wahre Lobeshymnen auf ihn angestimmt, zum Großteil von jenen, die diesen kritischen Geist zu Lebzeiten zum schrulligen „Quasi“ niedergeschrieben hatten. Zum 25. Todestag ragte der Artikel Erich Kocinas in der „Presse“ negativ hervor, in dem zu lesen war: „…nach dem Krieg engagierte er sich gegen den Kommunismus.“ Eine Lüge ersten Ranges, die unter dem Motto steht: „De mortuis nil nisi male“ (über den Verstorbenen nur Schlechtes sagen)! Qualtinger stand der fortschrittlichen Bewegung zeit seines Lebens mit Sympathie nahe; was er außer Nazis aller Schattierungen am meisten hasste, war die verlogene Bourgeoisie mit ihrer Kulturattitüde, ihren politischen Schleppenträgern und Federhuren.
Bleibt zum Schluss daher nur die Aufforderung: Hört und lest Helmut Qualtinger!
Zuerst erschienen zum 25. Todestag auf kominform.at (geringfügig bearbeitet)
Foto und Titelbild: screenshots – Helmut Qualtinger liest aus : Mein Kampf (1975)