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Plötzlich im Homeoffice: Chancen, Risiken und Regelungsbedarf

Die Arbeitserbringung in Form von Homeoffice hat im Zuge der COVID-19-Krise schlagartig an Bedeutung gewonnen. Viele Unternehmen erwägen, auch nach der Krise verstärkt auf Telearbeit zu setzen, es soll zumindest zeitweise von zu Hause aus gearbeitet werden können. Für die Beschäftigten bringt das einige Vorteile, aber auch viele Nachteile und rechtliche Herausforderungen. Entscheidend sind vor allem klare Regeln.

Von Michael Gogola, Jurist in der Grundlagenabteilung sowie der Abteilung Arbeit & Technik der GPA-djp

Homeoffice: Vom Randphänomen zum neuen Alltag für viele ArbeitnehmerInnen

Neben den zu bewältigenden wirtschaftlichen Herausforderungen könnte die COVID-19-Krise auch zum Ausgangspunkt für eine flächendeckende Nutzung neuer Formen der Arbeitsorganisation werden. So war binnen kurzer Zeit eine große Zahl von ArbeitnehmerInnen angehalten, ihre bisher im Büro zu erledigende Tätigkeit ins Homeoffice zu verlagern.

Bisher war die Arbeit im Homeoffice nicht allzu weit verbreitet. Dem Ergebnis einer vor Kurzem veröffentlichten Erhebung von Eurostat zufolge arbeiteten 2019 – also vor der COVID-19-Krise – 5,8 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich im Homeoffice. Angesichts der Empfehlung der österreichischen Bundesregierung, so viele Beschäftigte wie möglich von zu Hause aus arbeiten zu lassen, um das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 am betrieblichen Arbeitsplatz zu reduzieren, stieg dieser Anteil stark an. Eine im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführte Befragung im April 2020 kommt in diesem Zeitraum auf einen Anteil von 42 Prozent. Wie viele ArbeitnehmerInnen nach der Krise weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten werden, bleibt abzuwarten.

Insgesamt ist aber wohl damit zu rechnen, dass sich die Entwicklungen der vergangenen Jahre in puncto Flexibilisierung und Atypisierung von Arbeit durch die Krise fortsetzen und beschleunigen werden. Das betrifft insbesondere die fortschreitende Digitalisierung von Arbeitsabläufen bzw. die Durchdringung des Arbeitslebens mit digitalen Tools. Die COVID-19-Krise und die damit verbundene Herausforderung, ortsungebundenes Arbeiten in Form von Homeoffice rasch zu ermöglichen, hat geradezu für einen Digitalisierungsschub in vielen Unternehmen gesorgt.

Die Arbeit im Homeoffice bringt Vor-, aber auch Nachteile

Die veränderte Art zu arbeiten kann den Beschäftigten durchaus einige Vorteile, aber auch zahlreiche Nachteile bringen. Einerseits fallen lästige Anfahrtswege zum betrieblichen Arbeitsplatz weg, manche ArbeitnehmerInnen werden bei Vorliegen der entsprechenden räumlichen und sozialen Voraussetzungen seltener bei der Arbeit gestört, können konzentrierter an Projekten arbeiten, und mitunter lassen sich Privat- und Berufsleben auch besser in Einklang bringen. Die zeitliche und örtliche Souveränität von ArbeitnehmerInnen kann sich durch die Arbeit im Homeoffice – gerade in Kombination mit gleitender Arbeitszeit – also erhöhen. Andererseits kann sich jedoch, insbesondere bei dauerhafter Arbeitserbringung von zu Hause aus, ein Mangel an sozialem Austausch und eine Tendenz zur Vereinsamung ergeben. Außerdem steigt die Gefahr, dass tendenziell länger und häufig auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten gearbeitet wird, die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben fällt schwerer. Das könnte sich insbesondere für Beschäftigte mit Betreuungspflichten – nach wie vor häufiger Frauen als Männer – negativ auswirken. Zu befürchten ist, dass Geschlechterstereotype durch die Arbeit im Homeoffice reproduziert und verstärkt werden, weil aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Ungleichheiten insbesondere von Frauen erwartet wird, dass sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch die Arbeit im Haushalt und die Kinderbetreuung übernehmen. Gerade die dauerhafte Arbeitserbringung von zu Hause aus erscheint daher nicht empfehlenswert.

Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos?

Auch ArbeitgeberInnen, die der Idee des mobilen Arbeitens bislang kritisch gegenüberstanden, sehen zunehmend Möglichkeiten, von der zumindest zeitweisen Verlagerung der Arbeitstätigkeit ihrer Beschäftigten in deren eigene Wohnungen zu profitieren. So könnten sich dadurch Büroflächen und somit Kosten einsparen lassen. Daher haben einzelne Unternehmen bereits in den vergangenen Jahren vermehrt auf Konzepte wie „Desk-Sharing“ in Kombination mit tageweisem Homeoffice gesetzt. Dabei steht in der Regel nicht mehr jedem Mitarbeiter bzw. jeder Mitarbeiterin ein eigener Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung. Die Beschäftigten müssen stattdessen jeden Tag aufs Neue einen freien Arbeitsplatz wählen, wobei weniger Arbeitsplätze vorhanden sind, als es Beschäftigte gibt. Die ArbeitnehmerInnen können also hinsichtlich des Ortes der Leistungserbringung erst recht nicht frei zwischen dem betrieblichen Arbeitsort und ihrer Wohnung wählen.

Da häufig nur die notwendigsten Arbeitsgeräte (etwa ein Notebook oder ein Diensthandy) vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden und ArbeitnehmerInnen für die Einrichtung ihres Heimarbeitsplatzes ansonsten selbst aufkommen müssen, kann es zu einer Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf die Beschäftigten kommen. Zugleich zeichnet sich schon länger eine Entwicklung hin zur Leistungskontrolle anhand des Arbeitsergebnisses („Output-Kontrolle“) und mittels digitaler Überwachungsinstrumente ab. Diese bedürfen, soweit sie die Menschenwürde berühren, gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) bei ihrer Einführung der Zustimmung des Betriebsrates.

Die Arbeit im Homeoffice braucht klare Regeln

Bei allen Problemen scheint das (zumindest zeitweise) Arbeiten zu Hause von vielen ArbeitnehmerInnen durchaus geschätzt zu werden. Damit das Arbeiten im Homeoffice für beide Seiten gut funktioniert und ArbeitnehmerInnen dadurch keine Nachteile finanzieller oder anderer Natur erleiden, braucht es aber klare Regeln. Das österreichische Arbeitsrecht sieht allerdings nur sehr wenige spezielle Bestimmungen zur Arbeit in den eigenen vier Wänden vor. Während einzelne Kollektivverträge bereits Bestimmungen zu Telearbeit enthalten, ist insbesondere die Regelung per Betriebsvereinbarung empfehlenswert, um den rechtlichen und sozialen Herausforderungen der Arbeit im Homeoffice gerecht zu werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass ein adäquates Verhältnis von Zeiten der Anwesenheit im Betrieb, die auch soziale Kontakte und Austausch zwischen den KollegInnen ermöglichen, und konzentrierter, selbstständiger Arbeit im Homeoffice gewahrt bleibt.

Es stellt sich allerdings eine Reihe von weiteren Fragen: Wer hat die Möglichkeit, von daheim aus zu arbeiten, welchen Gruppen von Beschäftigten wird Homeoffice angeboten? Welche technische Ausstattung ist für die Arbeit im Homeoffice notwendig und kommt der/die ArbeitgeberIn finanziell dafür auf? Haben ArbeitnehmerInnen Anspruch auf Aufwandsersatz für die Nutzung ihrer Wohnung und eigener Güter als Arbeitsmittel? Welches Arbeitszeitmodell wird gewählt und wie wird die Arbeitszeit von zu Hause aus aufgezeichnet? Wie sollte ein gesunder Arbeitsplatz zu Hause gestaltet sein? Wie ist mit dem Thema Datenschutz umzugehen? Wie ist vorzugehen, wenn der/die ArbeitnehmerIn versehentlich ein Arbeitsgerät beschädigt oder wenn die Arbeit kurzfristig nicht erbracht werden kann? Wie wird sichergestellt, dass nicht im Gegenzug Büroflächen verkleinert oder die Beschäftigten über digitale Tools kontrolliert werden? Ist die Arbeitserbringung auch von der Wohnung im Ausland aus möglich?

Vieles ist Vereinbarungssache

Eine der wenigen speziellen Regelungen im Hinblick auf Homeoffice bildet § 26 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz (AZG). Dieser normiert, dass für ArbeitnehmerInnen, die ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben, Aufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit zu führen sind, nicht aber über deren konkrete Lage. Diese sogenannte Saldenaufzeichnung steht nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 14.5.2019, C-55/18) nun jedoch infrage, da etwa die Einhaltung der Mindestruhezeiten nicht überprüft werden kann. § 26 Abs. 3 AZG muss daher wohl insofern unionsrechtskonform ausgelegt werden, als das jeweils für betriebliche Arbeitsplätze vereinbarte Arbeitszeitregime auch im Rahmen der Arbeitsleistung im Homeoffice zur Anwendung kommen und die Arbeitszeit möglichst genau aufgezeichnet werden sollte.

Außerdem hat der/die ArbeitgeberIn grundsätzlich alle Arbeitsmittel bereitzustellen. ArbeitnehmerInnen können nicht verpflichtet werden, eigene Arbeitsmittel zur Leistungserbringung zu benutzen. Ebenso wenig können sie einseitig vom Arbeitgeber bzw. von der Arbeitgeberin dazu verpflichtet werden, ihre Wohnung als Arbeitsort zur Verfügung zu stellen. Wollen ArbeitnehmerInnen also etwa eigene Geräte zur Arbeitserbringung einsetzen, muss das jedenfalls vereinbart werden. Dann stellen sich allerdings verstärkt Fragen im Hinblick auf Privatsphäre und Datenschutz sowie zur Aufwandsabgeltung. Auch diesbezüglich sollten Vereinbarungen getroffen werden.

Ebenfalls Vorsorge getroffen werden sollte für den Fall, dass entweder ArbeitgeberIn oder ArbeitnehmerIn die Homeoffice-Vereinbarung wieder beenden und die ArbeitnehmerInnen zur Gänze an den betrieblichen Arbeitsplatz zurückkehren möchten bzw. sollen, weil sich etwa durch einen Wohnungswechsel die räumlichen Gegebenheiten geändert haben. Die Voraussetzungen und Umstände einer derartigen Beendigung von Homeoffice bereits im Vorfeld zu vereinbaren ist daher empfehlenswert.

Spezielle gesetzliche Regelungen könnten sinnvoll sein

Neben der Regelung der Telearbeit per Betriebsvereinbarung könnten ergänzend spezielle gesetzliche Regelungen für die Arbeit im Homeoffice sinnvoll sein. Es könnte etwa festgelegt werden, welche Fragestellungen jedenfalls in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden müssen.

Eine Definition von Homeoffice-Arbeitsplätzen als auswärtige Arbeitsstellen sollte ausdrücklich ins Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) aufgenommen werden. Damit wäre auch über die allgemeine Fürsorgepflicht hinaus deutlich klargestellt, dass die umfassende Verantwortung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin für die Gesundheit und Sicherheit auch für ArbeitnehmerInnen im Homeoffice gilt und geeignete Maßnahmen zu treffen sind. Die arbeitsstättenbezogenen Bestimmungen des ASchG, z. B. hinsichtlich Raumgröße, Belichtung, Fluchtwege etc., die im Homeoffice nicht realisierbar wären und auch nicht mit dem Schutz der Privatsphäre vereinbar sind, würden nicht zur Anwendung gelangen.

Ebenfalls gesetzlich klargestellt werden könnte, dass ArbeitnehmerInnen wegen der zeitweisen Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit im Homeoffice nicht gegenüber solchen ArbeitnehmerInnen, die ausschließlich am Betriebsort arbeiten, benachteiligt werden dürfen. Nur sachliche Gründe sollten eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dieses Gleichbehandlungsgebot braucht es insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten, der betrieblichen Weiterbildung und der gleitenden Arbeitszeit. Im Streitfall soll der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin beweisen müssen, dass eine Benachteiligung nicht wegen der Ausübung der Arbeitstätigkeit an einer auswärtigen Arbeitsstelle erfolgte.

Darüber hinaus könnte gesetzlich festgelegt werden, dass im Falle des Einsatzes von privaten Arbeitsmitteln durch den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin zur Leistungserbringung der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin verpflichtend für die getätigten Aufwendungen Ersatz zu leisten hat. Schon bisher lässt sich eine derartige grundsätzliche Pflicht aus der analogen Anwendung des § 1014 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ableiten, die entsprechende Bestimmung kann allerdings durch vertragliche Vereinbarung abbedungen werden. Aufgrund des Machtungleichgewichts im Arbeitsverhältnis kann sich dies für die Beschäftigten nachteilig auswirken. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich eine pauschale Abgeltung der Kosten, wobei die konkrete Höhe per Betriebsvereinbarung festzulegen ist.

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise wurde im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine bis 31.12.2020 befristete Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes vorgenommen (§ 175 Abs. 1a und 1b ASVG). So sind nun insbesondere auch Unfälle auf Wegen innerhalb des privaten Haushaltes, also z. B. zur Toilette oder in die Küche, ebenso erfasst wie von zu Hause aus angetretene Wege zum Arzt bzw. zur Ärztin. Ein erweiterter Unfallversicherungsschutz sollte auch über das Jahr 2020 hinaus beibehalten werden.

Fazit: Fairness im Homeoffice muss sichergestellt sein

Die Arbeitserbringung in Form von Homeoffice kann aus Sicht der ArbeitnehmerInnen also einige Vorteile bieten, schafft aber auch Schwierigkeiten und eine Reihe rechtlicher Herausforderungen. Es erscheint daher besonders wichtig, auf betrieblicher Ebene klare Regelungen zu treffen und die wechselseitigen Rechte und Pflichten zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen festzulegen. So lässt sich sicherstellen, dass die Arbeit im Homeoffice für beide Seiten fair abläuft und insbesondere ArbeitnehmerInnen keine Nachteile erleiden. Den Betriebsräten kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle bei der Absicherung der ArbeitnehmerInnen zu. Darüber hinaus enthält das österreichische Arbeitsrecht nur sehr wenige Sonderbestimmungen im Zusammenhang mit Homeoffice. Auch über gesetzliche Sonderbestimmungen zum Thema sollte daher nachgedacht werden.

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