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Ziviler Friedensdienst in Österreich

Ein Pionierprojekt macht Tempo – Friedenskolumne von Thomas Roithner

Seit Jahresbeginn 2020 herrscht Bewegung in Sachen Ziviler Friedensdienst (ZFD) in Österreich. Diese Bewegung geht auf den Frühling 2019 zurück: Der Neuwahlbeschluss und damit die Möglichkeit, im Wahlkampf für die Unterstützung eines Friedensdienstgesetzes zu werben. Viel Zustimmung erhielt die Versöhnungsbund-Kampagne von Nationalratsabgeordneten und Kandidat*innen von SPÖ, NEOS, Grüne, Parteiunabhängige, KPÖ und Wandel. Die Grünen warben mit dem ZFD auch in ihrem Wahlprogramm.

Was ist Ziviler Friedensdienst?

Der Zivile Friedensdienst ist ein eigenständiges Instrument der österreichischen Außenpolitik und als Gemeinschaftswerk von Staat und Zivilgesellschaft konzipiert. Über den ZFD werden durch den Einsatz von Friedensfachkräften lokale Partnerorganisationen in Krisen- und Konfliktgebieten in Fragen von Gewaltprävention und Verhinderung von Gewalt, ziviler Konfliktbearbeitung und Friedensförderung auf Augenhöhe unterstützt.

Ziel ist die Stärkung zivil(gesellschaftlich)er Kapazitäten für Dialog, Versöhnung, Zusammenarbeit sowie das Eintreten für Friedensprozesse. Der ZFD agiert ausschließlich auf gewaltfreier Basis und bringt unterschiedliche Methoden ziviler Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsschutz unter besonderer Berücksichtigung des Genderaspekts zur Anwendung.

Der ZFD ist kein „Lerndienst“ vorwiegend Freiwilliger, sondern ein professioneller Einsatz von Konfliktarbeiterinnen und -arbeitern mit entsprechender Ausbildung, Qualifikation und Entlohnung. Der ZFD ist ein vom Wehr- und Zivildienst unabhängiges und eigenständiges Instrument.

Der ZFD ist kein Ersatz für das außen-, sicherheits- und friedenspolitische Instrumentarium des Staates und internationaler Organisationen, sondern eine wertvolle, zivilgesellschaftlich getragene Ergänzung. Einige diesbezügliche Strategiedokumente der Republik Österreich unterstreichen die unverzichtbare Bedeutung der Zivilgesellschaft zur Bearbeitung von Konflikten.

Regierungsprogramm 2020

Der Zivile Friedensdienst wurde im Rahmen der Regierungsverhandlungen zwischen der neuen Volkspartei und den Grünen debattiert und folgende Passage fand Aufnahme im Kapitel Außenpolitik des Regierungsprogramms:

„Prüfung der Etablierung einer Mediationsfazilität im BMEIA und der Einrichtung eines österreichischen zivilen Friedensdienstes im Rahmen der Aktivitäten des BMEIA, jeweils unter Beiziehung der bestehenden Strukturen und entsprechender Ressourcenausstattung.“

Entschließungsantrag Ziviler Friedensdienst

Mit dem Hintergrund eines zivilgesellschaftlich abgestimmten Konzeptes bringen die Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Reinhold Lopatka (ÖVP) am 27.5.2020 einen Entschließungsantrag ein, der den Außenminister „auffordert, ehestmöglich mit der Planung der Einrichtung eines österreichischen Zivilen Friedendienstes unter umfassender Einbindung der Zivilgesellschaft zu beginnen“.

In der Begründung des Entschließungsantrages (27.5.2020) wurde die Rolle Österreichs beim Menschenrechtsschutz wie auch die im Regierungsprogramm vorgesehene Positionierung als „Ort des Dialogs“ betont. Ebenso wurde auf das Engagement Österreichs „für Projekte zur zivilen Krisenprävention und Konfliktlösung“ explizit verwiesen und „das deutsche Modell kann Österreich als Vorbild und Orientierungshilfe dienen.“

Der ZFD soll gemäß der Begründung „als eigenständiges Instrumentarium einer aktiven österreichischen Außenpolitik für zivile Gewalt- und Krisenprävention sowie aktive Friedensförderung in Konflikt- und Krisenregionen dienen. Wesentlich ist die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen österreichischen Friedens- und Entwicklungsorganisationen gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen, und die Förderung dieser Zusammenarbeit durch die Bundesregierung.“ In der Abstimmung wurde die Entschließung durch die Volkspartei, die Grünen, die Sozialdemokratie und die NEOS angenommen.

In der folgenden Parlamentsdebatte vom 8.7.2020 begründet Ewa Ernst-Dziedzic den ZFD auch mit „der neutralen Vermittlerrolle“ Österreichs. Reinhold Lopatka stellt fest „mittels dieses Entschließungsantrages einen Stein ins Rollen bringen“ zu können. Bereits im Wahlkampf sah Petra Bayr (SPÖ) via Austria Presse Agentur im ZFD „eine wichtige Weiterentwicklung unserer Außenpolitik“.

Vernetzung Zivilgesellschaft

Rund vierzig Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und von think tanks nahmen am 6. Juli 2020 auf Einladung des Grünen Klubs im Parlament, vertreten durch Ewa Ernst-Dziedzic, in der Wiener Hofburg am Vernetzungs- und Austauschtreffen teil. Die Ergebnisse der Beratungen sind Basis für die weitere Zusammenarbeit der zivilgesellschaftlichen Akteur*innen.

Große Schwester

In Deutschland gibt es den Zivilen Friedensdienst bereits seit 1999. In den vergangenen 20 Jahren wurden rund 1.500 Friedensfachkräfte in mehr als 60 Ländern eingesetzt. Mit Stand 31.12.2019 waren 350 Friedensdienende in 45 Ländern aktiv. ZFD Deutschland wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit einem Jahresbudget von 55 Millionen Euro jährlich unterstützt.

Seit Beginn der 1990er-Jahre engagieren sich zivilgesellschaftliche Organisationen für einen Zivilen Friedensdienst in Österreich, um professionelle Konfliktarbeiter*innen mit entsprechender Ausbildung zum Einsatz zu bringen. Im Jahr 2020 sind einige Schritte mit Siebenmeilenstiefeln gelungen. Ein Pionierprojekt in Österreich macht Tempo.

Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig. Roithner ist neben Pete Hämmerle Co-Kampagnenleiter für #ZivilerFriedensdienstÖsterreich

Titelbild: Der Zivile Friedensdienst Deutschland engagiert sich in Myanmar mit sechs Friedensfachkräften von zwei Trägern. Die Szene zeigt ein Projekt des Weltfriedensdienstes e.V. (© L. Nagel, Weltfriedensdienst e.V.)


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