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I kindly demand „America first“

Was mit US-Präsident Joe Biden in der Außen- und Sicherheitspolitik auf uns zukommt.

Von Thomas Roithner

Thomas Roithner
Thomas Roithner: Kolumnist für „Unsere Zeitung – DIE DEMOKRATISCHE.“ (Foto: privat)

Die grundsätzlichste außenpolitische Änderung des neuen Präsidenten wird der Ton sein. Der macht bekanntlich die Musik. Doch das aufzuführende Stück – das politische und ökonomische Interesse der USA – bleibt gleich. „America first“ war Donald Trumps Slogan. Auch Joe Biden wird „America first“ einfordern. Aber eben freundlich und einladend. Und mit beträchtlichem innenpolitischen Gegenwind.

Rivalität als Kontinuität: China

Im Verhältnis der USA zu China wird keine grundlegende Entspannung erkennbar werden. Die Debatte um Sanktionierungen unterschiedlicher Art wird bleiben. Was den Unterschied zu Trump ausmachen wird, ist die Bildung von Allianzen. Biden wird internationale Verbündete suchen, um US-Interessen wirkungsvoller durchsetzen zu können. Die zu bohrenden Bretter könnten auch dicker und härter werden, weil Joe Bidens China-Politik von Prinzipien geprägt ist und der „Dealmaker“ mehr für seinen Schlingerkurs bekannt ist. Und Trump gerne den schnellen innenpolitischen Erfolg auskostet. Der kommende und gegenwärtige Präsident gehen dabei – etwas unterschiedlich gewichtet – von einer Großmachtrivalität mit China aus.

Militärausgaben und Rüstungsexport

Im Jahr 2019 belief sich der Anteil der USA an den globalen Militärausgaben auf 38 %. Das Stockholm Internationale Peace Research Institute (SIPRI) schätzte Chinas Anteil auf 14 % und wies für Russland Militärausgaben von 3,4 % aus. Am Trend der US-Militärausgaben wird sich voraussichtlich so wenig ändern wie an den Rüstungsexporten. SIPRI hat in den letzten 5 Jahren (2015 – 2019) einen US-Anteil an den globalen Rüstungsexporten von 36 % errechnet und weist für China einen Anteil von 5,5 % aus (Russland: 21 %, Frankreich 7,9 %, Deutschland 5,8 %).

Multilateralismus und Abrüstung

Joe Biden wird mehr mit seinen internationalen Partnern und internationalen Organisationen reden. Im Vergleich zur offenen Ablehnung von Trump gegenüber den Vereinten Nationen, der NATO oder internationalen Verträgen wird Biden internationale Politik kalkulierbarer machen. Mehr Erwartungsstabilität entsteht. Die erste Ansage Bidens betrifft den internationalen Klimavertrag. Biden wird mehr reden und das vornehmend mit Like-minded nations.

Auch bilaterale und multilaterale Verträge zur Abrüstung und Rüstungskontrolle wird Biden mehr als Trump unter dem Aspekt der Stabilität betrachten. Unmissverständlich ablehnend bzw. skeptisch war die bisherige US-Positionierung zum INF (Mittelstreckenraketen-Vertrag), Open Skies (Vertrag über den Offenen Himmel) oder dem JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) mit dem Iran. Der NewSTART (Strategische nukleare Rüstungskontrolle) läuft im Februar 2021 aus und das Ergebnis bislang ungewiss. Biden könnte die Karten für den NewSTART neu mischen und diesen zumindest verlängern. Erwartbar ist, dass Biden für Fragen der Abrüstung und des Klimawandels Gesprächskanäle nach Peking öffnet.

Unverändert

Schwer vorstellbar ist, dass die USA ihre Botschaft aus Jerusalem abziehen. Noch weniger ist vorstellbar, dass die US-Position zu dem am 22.1.2021 in Kraft tretenden Atomwaffenverbotsvertrag überdacht wird. Gegenüber Russland oder Nordkorea werden die Beteuerungen guter Vieraugengespräche zugunsten „harter Währung“ – knallhart überprüfbare Abkommen – zurücktreten. Der Ton macht die Musik, twitter wird langweiliger und die nationalen Interessen bleiben bestimmend.

Systematik NATO

Donald Trump hat seine transatlantischen Verbündeten mit der Infragestellung der Beistandsklausel der NATO besonders verstört. Alle US-Präsidenten der letzten Dekaden haben von den europäischen NATO-Staaten mehr Ausgaben für Truppen und Rüstung verlangt, bei Trump hat der Ton die erste Geige gespielt. Das Ergebnis: eine geschäftige Debatte über Aufrüstung in Europa, das 2 %-Ziel der NATO und welche Ausgaben im umfassend gedachten Sicherheitsbereich denn von den USA akzeptiert werden würden und NATO-kompatibel sind. Unklar ist nur: versteht sich das als Herausbildung einer EU-Autonomie bei Rüstung und Truppen oder als Stärkung der transatlantischen Beziehung nach Washingtons Geschmack. Beide Varianten sind jedenfalls eine schlechte Nachricht für eine europäische Friedenspolitik mit friedlichen Mitteln.

Multilaterales ist dem Dealmaker im Lauf seiner Präsidentschaft fremd geblieben. Biden sieht die NATO aus guten Gründen als eines der Instrumente, um US-Interessen im Bündnis durchzusetzen. Trump hat ihm möglicherweise den Boden bereitet, dass dies künftig besser klappen kann.

Ja, Trump war beim Einfordern europäischer Rüstungsanstrengungen erfolgreicher als seine Vorgänger. Der kurzfristige Deal war nicht unerfolgreich, das langfristige Endergebnis für die USA ist ungewiss. Es schließen sich Fragen an, ob dieser Mechanismus klappt. Führt die Zumutung des US-Ausstiegs aus dem Iran-Abkommen zu einem neuen für die USA vorteilhafteren Abkommen? Wird der Rüpel belohnt, indem nun einige Sanktionierungen Chinas zurückgenommen werden und die USA den für sie wichtigen Schutz des geistigen Eigentums dafür vorteilhaft regeln können? Setzt sich das System des Rüpels am Ende durch?


Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund. Sein jüngstes Buch „Flinte, Faust und Friedensmacht. Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der EU“ erschien bei myMorawa. Web: www.thomasroithner.at

Titelbild: Tim Mossholder von Pexels

 

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2 Gedanken zu „I kindly demand „America first“

  • Gerd Brunner

    Danke fuer den text zur politik der usa

    Antwort
    • Vielen herzlichen Dank für die Rückmeldung! Auch die Amtszeit von US-Präsident Joe Biden wird für die europäischen Staaten eine Herausforderung werden. Morgen gibt’s dazu eine neue UZ-Friedenskolumne zu diesem Thema.

      Antwort

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