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Sonntagsöffnung: Einmalige Ausnahme oder die Höhle der Löwen?

Ist mit der Öffnung der Geschäfte am 4. Adventsonntag die Tür zur generellen Sonntags-Ladenöffnung einen Spalt offen?

Von Josef Stingl

Wirtschaftskammer, Handelsverband und Gewerkschaft der Privatangestellten (gpa) haben sich auf einen Sonder-Kollektivvertrag geeinigt. Danach dürfen heuer am 19. Dezember, dem 4. Adventsonntag jene Geschäfte, welche im Lockdown geschlossen waren, ihre Pforten öffnen. “Klar ist für uns, dass wir weiterhin eine Öffnung des Handels am Sonntag abseits einer möglichen Ausnahmeregelung für den 19. Dezember strikt ablehnen“, beruhigt Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der gpa.

Der österreichische Ladenschluss war schon immer hart umkämpft. Zur Erinnerung, bis 1987 war am Samstagmittag Schluss mit Einkaufen. Dann hob der Verfassungsgerichtshof – auf Betreiben der Trachtenhändlerin und Ladenschluss-Rebellin Gesine „Gexi“ Tostmann – Teile des Ladenschlussgesetzes auf. Im folgenden Ladenschluss-Versuch durften Geschäfte einmal monatlich am Samstag Nachmittag bis 17 Uhr offenhalten.

Als dieser Modellversuch in Gesetzesform gegossen war, war es Wirtschaftskammer und Handelsverband noch immer nicht genug. Sie wollten mehr und ihr Wunsch war rasch Realität. Das neue Ladenöffnungsgesetz ermöglichte jeden Samstag offene Läden von 5 Uhr früh bis 18 Uhr abends ermöglichte.

Löwe Eins und Löwe Zwei, oder Hartlauer und Lugner

Zwischenzeitlich brüllte ein „Löwe“, der alte Franz Josef Hartlauer. Den Hartlauer-Löwen hatte es dem geschäftsfreien Marienfeiertag angetan und er ließ gesetzeswidrig „sein Haus in Linz“ auf der Landstraße 101 am 8. Dezember offen. Der Widerstand gegen den Tabubruch Feiertagsarbeit war enden wollend und es kam daher, wie es kommen musste: auch der 8. Dezember wurde für die Handelsangestellten ein normaler Arbeitstag, abgesehen von einer etwas höheren Arbeitsleistungshonorierung.

Dem Hartlauer-Löwen folgte ein Baulöwe. Richi Lugner, er seiner „Mausi“ in Wien ein Einkaufstempel errichtete, posaunt jetzt ständig nach Sonntagsöffnung. Für diesen Ruf mussten auch Corona und Lockdown herhalten, denn der offene 4. Adventsonntag und die dabei zu erwartenden klingenden Kassen soll den Schaden für die betroffenen Händler*innen etwas abfedern. Ein Weihnachtstraum, dem sich Wirtschaftskammer und Handelsverband gerne angeschlossen haben..

4. Adventsonntag offen, gpa hat am grünen Tisch zugestimmt

Dass ihnen bei den KV-Verhandlungen nur wenige Wochen vorher, die Corona-Inflations- und Gehaltsausfalls-Schäden ihrer Mitarbeiter*innen wochenlang mehr oder minder nur etwas öffentlicher Applaus wert war, war vergessen. Und es dauerte nicht lange, dann hatten sich Wirtschaftskammer, Handelsverband und Gewerkschaft rasch auf das Offenhalten der Geschäfte und einen Sonder-Kollektivvertrag mit zusätzlicher Entlohnung und einen Ersatzruhetag geeinigt.

Ist damit die Tür zur Sonntag-Ladenöffnung einen Spalt offen, auch wenn das vom gpa-Verhandlungsführer bestritten wird? Es handle sich ja nur um eine einmalige Ausnahme und es solche gab´s auch bei der Hochwasserkatastrophe und bei der Fußball-Europameisterschaft.

Das ist schon ein Widerspruch in sich, allerdings ein Blick in die Geschichte zeigt ebenfalls, dass die Gefahr zumindest für weitere Adventssonntagen nicht unreal ist: 1893 wurde in Wien der 4. Adventsonntag ausnahmsweise geöffnet. Nach vollen Geschäften und prallen Kassen wurde aus der einmaligen Ausnahme, der Goldene Sonntag am 4. Advent und der Silberne am 3. Adventsonntag. Und das insgesamt 68 Jahre lang, bis 1961 der Wiener Bürgermeister Franz Jonas die Verordnung zu den „Sonderbestimmungen über die Sonntagsarbeit“ aufhob.


Titelbild: Andreas Lischka auf Pixabay 

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