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Über die Ab-, Um- und Holzwege in der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine.

Ein Gastbeitrag von Max Sternbauer

Angeblich soll in Ostdeutschland der Achtziger Jahre ein Bund Schlüssel in einem Wohnhaus abgeben worden sein, der verloren gegangen war. Angeblich sollte er zu der Ausrüstung des KGB, dem sowjetischen Geheimdienst, gehört haben. Und der Agent, der diesen Schlüsselbund damals angeblich verloren haben soll, das war Putin, der jetzige Präsident der Russischen Föderation.

Ich finde diese Geschichte dient als guter Einstieg, weil wir gerade, zumindest in Europa, auf einem Vulkan sitzen, und da muss man sich noch über solche absurden Geschichten erfreuen können. Den Menschen auf Samoa kann dieser Konflikt ja herzlich egal sein.

Auch dieser Konflikt, ob seiner Tragik, wird reich an Absurditäten sein, und er ist es jetzt schon. Zumindest kann man sich gut unterhalten fühlen, wenn man Frank und Frei die Medien inspiziert.

So sendete die Bundesrepublik, als ersten Zeichen der Solidarität unter anderem fünftausend Helme, sowie Panzerabwehrraketen aus DDR-Beständen. Ob die Dinger wirklich schon „vom Schimmel befallen,“ sind wie t-online.de darstellt, kann hier nicht verifiziert werden. Ich frage mich nur, wie feucht der Keller gewesen sein muss, damit auf den Sprengkörpern Schimmelsporen sich hatten vermehren können.

Eine Reportage von Frontal21, die mitten im Dreh vom Krieg überrascht worden war, folgte einem deutschen Freiwilligen der ukrainischen Streitkräfte: Siegfried F, war vormaliger Bundeswehrsoldat und leidenschaftlicher Amateurschauspieler, der beschlossen hatte gegen die prorussischen Separatisten zu kämpfen.  

Irgendwann, so in der Mitte der Reportage, wird gezeigt, bei welchem Regiment er unterkommen war: Seine Heimat sollte das rechtsradikale Asow-Regiment werden. Zwar wird dieser Hintergrund von den Frontal21-Reportern kritisch hinterfragt, nur wird zu wenig auf die Frage eingegangen, warum die Motivation von Siegfried F. auch nicht den kleinsten Knick davon bekommen hat, dass Faschisten sich seine Kameraden genannt hatten. Apropos Motivation, in der ganzen Reportage war eine wichtige Frage nicht gestellt worden: Nämlich welche Sympathien er überhaupt für die Ukraine hege. Oder warum er, aus welchen Gründen sonst noch, in die Schlacht gezogen war.

Es ziehen aber nicht nur Rechtsradikale in den Krieg. Da anscheinend Internationale Brigaden wieder in Mode gekommen sind, ruft auch die Antifa Bonn/Rhein-Sieg zur bewaffneten Solidarität auf.

Berechtigte Ängste von Unterstützern der NATO und Gegenstrategien gegen Russland, formulierte Annette Heinisch in einem Beitrag für achgut.com. So dürfe die Europäische Union nicht mehr von Putin erpressbar sein, und deswegen müsse die Abhängigkeit von Rohstoffen beendet werden. Wie soll diese Autarkie gestalten werden? Mit Atomenergie, es würde auch an neuen Aufbereitungstechniken für den Müll geforscht werden.

Also, dass spaltbares Material nicht auf Apfelbäumen wächst und auch importiert werden muss sollte eine Binsenweisheit sein. So hat z.B. die USA 2008, 1.200 Tonnen Uran gefördert, aber selbst fast 19.000 Tonnen verbraucht.

Außerdem, wo liegt der Sinn in der Strategie des „Sich-nicht-Erpressenlassens,“ wenn zwar die Russische Föderation aus dem Spiel genommen wird, aber sich von anderen Staaten abhängig werden lässt. So ist der momentan größte Exporteur von Uran Kasachstan; ein autoritäres postsowjetisches Regime. Als Heinisch zum Punkt Putins Außenpolitik kommt, ist ihre felsenfeste Meinung, dass die Eroberung der Ukraine nur eine Station seines Machthungers darstellt. Deswegen gibt sie dem Leser folgende Warnung zu bedenken; mir ist immer noch nicht klar, ob das ein Fall von schlecht platzierter Satire sein soll. Also bitte entscheiden Sie selbst.

„Putin allerdings geht es nicht nur um die Ukraine, sondern um die Wiederherstellung früherer glanzvoller Zarenzeiten. Dies ist nicht nur für weite Teile der Ukraine gefährlich, sondern auch für die früheren Ostseegouvernements Estland, Livland und Kurland, Kongresspolen, Litauen, Belarus, Moldau und Finnland (als Großfürstentum Finnland). Ob Jever sich Sorgen machen muss, weil es zwischen 1791 und 1818 zu Russland gehörte, kann ich nicht beurteilen, aber vielleicht war die Schließung des dortigen Fliegerhorstes verfrüht. Auch die Amerikaner sollten bedenken, dass Alaska einst als russische Kolonie angesehen wurde.“

Dass Alaska vom Russischen Reich verkauft wurde, und nicht sonderlich wirtschaftlich von Interesse gewesen war, wird hier nicht so richtig beachtet. Schön finde ich aber, mit welcher Akkuratesse  auf historischen Bezeichnungen geachtet worden ist: Kongresspolen, Livland. Naja, aber man hätte auch den Wikipedia-Artikel über Alaska zu rate ziehen können.

Die Geiselnahme von indischen Studenten des ukrainischen Militärs, hat sich als russische Zeitungsente erwiesen. Aber, dass es zu Übergriffe von Grenzbeamten an indischen Staatsbürgern gekommen ist, ist es leider nicht. So kann man im Netz das Video finden, wo ein Beamter vor Indern, die das Land verlassen wollen, in die Luft schießt.

Im Spiegel beschreibt der syrisch-palästinensische Autor Joud Hasan in einem Gastbeitrag, wie unterschiedlich Flüchtlinge wegen ihrer Herkunft behandelt werden. Es ist tragisch, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne bei Elend ist, und wie schnell das Vergessen einsetzt.            Es ist noch gar nicht solange her, als  die Schlagzeilen voll waren mit der Nachricht, dass Lukaschenko die EU mit den Flüchtlingen erpressen würde.

Das alles sind Tragödien, aber was hat das jetzt direkt mit dem Krieg zu tun? Nun, ehrlich gesagt, fast gar nichts, aber über diesen Umweg in meinen Recherchen, war mir folgendes wieder eingefallen. Identitären-Chef Martin Sellner, hatte mal in einem Video kommentiert, wie sehr er die Polizisten, die an der polnisch-weißrussischen Grenze Dienst taten, respektierte und ihnen bei der Jagd nach Flüchtlingen Glück wünsche. Sellner ruft ab und zu mal dazu auf, an die Außengrenzen der EU zu reisen, und die Exekutive bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Sellner hatte das selbst mal vor zwei Jahren in Griechenland versucht und daraus eine Reportage gezimmert. Herausgekommen war ein Video, wo man den Identitären-Chef in seinem Auto fahren sieht, beschreibt was alles in der Migrationsfrage falsch läuft; komischerweise sieht man nie die Grenze, oder ihn beim Akt des „Grenzschützens.“ Höhepunkt war dann das Hissen der Flagge mit dem griechischen Buchstaben Lambda, was auch Symbol der Identitären Bewegung ist, auf einem Hügel neben der Autobahn.

Die Szene hätte man auch auf der Strecke zwischen Wien und St. Pölten drehen können, was direkt zum zentralen Punkt der Kritik führt. Es gibt keinen Beweis, dass Sellner in Griechenland gewesen ist, oder zumindest die Grenze erreicht hat, und der einzige Beweis stellt in dem Sinn ein an einer Tankstelle gekauftes Sandwich dar.

Man möchte mir diesen thematischen Husarenritt  verzeihen, aber wie absurd ist die Vorstellung von rechten Knallköpfen, die im Burgenland oder am Ufern des griechischen Grenzflusses Evros durch die Büsche kriechen, um ihre rassistische Fata Morgana nach dem Sozialstaat auffressenden Asylanten zu jagen?

Den Gag zum Schluss, diese Vorlage hatte Putin mit seiner Aussage selbst getroffen, wonach sein verbrecherischer  Krieg in der Ukraine dem Antifaschismus diene, obwohl der Präsident der Ukraine jüdische Wurzeln vorweisen kann.

Vor Jahren hatte ich gedacht, die offizielle Bezeichnung der Berliner Mauer wäre „Antiimperialistischer Schutzwall,“ gewesen; ich hatte das nie bezweifelt, weil es im Kontext des kalten Krieges für mich durchaus Sinn ergeben hatte. Ein Bekannter hatte mich, während eines Berlin Besuches meinen Irrtum korrigiert, wonach die Bezeichnung „Antifaschistischer Schutzwall,“ lauten würde.

Hoffentlich hört diese antifaschistische Aktion bald auf. 


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Titelbild: Victor Hughes auf Unsplash

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