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Das war der 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas

Der 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ist am Sonntag, den 23. Oktober zu Ende gegangen. Bei dem alle fünf Jahre stattfindenden Mega-Event werden die Weichen für die kommenden Jahre chinesischer Politik gestellt und viele hochrangige Posten innerhalb des Staatsapparats neu besetzt. Während Xi Jinping wie erwartet für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär der KPCh bestätigt wurde, gab es im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem höchsten politischen Gremium der Volksrepublik, mehr Rochaden als Expert*innen zunächst prognostiziert hatten.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Rosenauer

Eine einstudierte Show

Vergangene Woche kamen in der Großen Halle des Volkes in Peking rund 2300 Vertreter*innen der Kommunistischen Partei Chinas zusammen, um gemeinsam ein neues Zentralkomitee (205 Mitglieder), ein neues Politbüro (25 Mitglieder) sowie einen neuen Ständigen Ausschuss des Politbüros (7 Mitglieder) zu wählen. Der Begriff „Wahl“ muss hier allerdings als Euphemismus gelesen werden, denn die Ergebnisse dürften bereits im Vorfeld ausgemacht worden sein. 

Dies lässt sich auch am Abstimmungsverhalten von vergangenen Nationalkongressen ablesen; So hatte etwa Xi Jinping bei seinem Amtsantritt 2012 eine Zustimmungsrate von über 99%. Das ganze Event hat daher einen sehr zeremoniellen Charakter und dient dazu, die informell getroffenen Entscheidungen formell abzusegnen.

Keine Limits für Xi Jinping

In den letzten zehn Jahren an der Spitze der Volksrepublik China (VRC) hat Xi Jinping die autoritären Züge der Parteiherrschaft weiter gefestigt, unter anderem durch eine Aufhebung der seit 1990 geltenden Beschränkung auf zwei Amtszeiten für die Position des Generalsekretärs, der zugleich auch Staatspräsident ist.

Aber nicht nur die verfassungsrechtliche Amtszeitbeschränkung ist unter Xi Jinping gefallen. Auch die Altersgrenze von 68 Jahren, die traditionell das Limit für hochrangige Parteipositionen darstellt, gehört nun der Vergangenheit an, denn der Präsident hat dieses Alter bereits letztes Jahr überschritten. Mit seiner dritten Amtsperiode ist Xi Jinping nach Mao Zedong der am längsten amtierende Generalsekretär in der Geschichte der KPCh.

Auch auf dem Schlachtfeld der Ideologie konnte sich Xi Jinping auf ganzer Linie durchsetzen. Seine „Xi Jinping-Ideen“ wurden in die Parteiverfassung aufgenommen und stehen somit neben jenen von Mao Zedong und Deng Xiaoping als unumstößliche Grundwerte der KPCh. 

Aber nicht nur auf dem Papier hat der Präsident seine Macht konsolidiert, auch der neue Ständige Ausschuss des Politbüros reflektiert diesen Wandel. Xi Jinping hat einen äußerst loyalen Führungszirkel um sich versammelt, während er die eher wirtschafts- und reformorientierten Parteifraktionen ausgeschlossen hat. Vor allem hochrangige Parteimitglieder, die sich um den internationalen Handel und Marktöffnungen bemüht haben, wurden abgesägt. Ein klares Zeichen für die Stoßrichtung, die China nun einschlagen wird. Während das Wort „Karl Marx“ in Xis Eröffnungsrede 15 Mal vorgekommen ist, hat es der Begriff „Markt“ nur auf drei Erwähnungen gebracht. 

Weg vom Wirtschaftswachstum, hin zu Nationaler Sicherheit

Der Nationalkongress beginnt traditionell mit einem langen Bericht des Generalsekretärs, der die Parteimitglieder über die letzten fünf Jahre der Regierungsarbeit informieren soll. Die Rede ist für China-Expert*innen besonders spannend, da man anhand des gewählten Vokabulars und an der Betonung verschiedener Themenbereiche erkennen kann, wo der Fokus Xi Jinpings liegt. Diesmal ist die Ansprache mit knapp unter zwei Stunden eher kurz ausgefallen und hat vor allem die Erfolge der letzten Jahre hervorgehoben, ohne auf die großen Herausforderungen und Probleme innerhalb des Landes einzugehen. 

Ein Wort, das deutlich öfter gefallen ist als noch vor fünf Jahren ist „Sicherheit“, insgesamt 81 Mal und in der Kombination „nationale Sicherheit“ ganze 27 Mal.

Demgegenüber ist die Betonung des Wirtschaftswachstums in den Hintergrund gerückt, war dies doch in den vergangenen Jahrzehnten immer eines der wichtigsten Themen für die chinesische Regierung. Da aber die astronomischen Wachstumszahlen jenseits der 10% in weiter Ferne liegen, hat sich das Spannungsfeld “nationale Sicherheit” als neues Kernelement der Regierungsarbeit herauskristallisiert. Auch die Wiedervereinigung mit Taiwan ist sehr früh in Xis Rede zur Sprache gekommen, ein Indiz für die Wichtigkeit, die dieser Problematik eingeräumt wird.

Die harte Zero-Covid Politik Xi Jinpings ist seit Beginn der globalen Pandemie eine schwere Last auf der chinesischen Konjunktur. Während China versucht, sich langsam aus der globalen ökonomischen Exportabhängigkeit zu lösen und vermehrt auf den Binnenkonsum setzt, ist die reduzierte Mobilität durch die rigorosen Lockdown-Maßnahmen besonders problematisch. Die Lösung für diese schwierige Situation ist laut KPCh-Führung klar: Mehr staatliche Kontrolle und Lenkung der Wirtschaft. 

Die Abwendung von der liberalen Marktwirtschaft ist in den letzten zehn Jahren seit Xis Präsidentschaft kontinuierlich fortgeschritten und erreicht nun einen neuen Höhepunkt. Statt ökonomischem Kalkül sitzt jetzt die Ideologie wieder fest im Sattel der chinesischen Wirtschaft und Xi Jinping sendet immer deutlichere Signale an die chinesischen Konzerne. Die VRC betont immer stärker ihren sozialistischen Charakter und die soziale Verantwortung, die bei den Firmen liegt. Hatte es in der Vergangenheit immer klare Linien für die Unternehmen gegeben, an denen sie sich orientieren konnten, so wird es jetzt mehr darum gehen, die ideologischen Grenzen richtig zu deuten und sich innerhalb dieser zu bewegen. Was dies mittelfristig für die ökonomische Entwicklung des Landes bedeutet, bleibt offen.

Ein Neues China?

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass all diese politischen Veränderungen in China zur Herausbildung einer neuen nationalen Identität beitragen. Das aggressive internationale Auftreten, gegenüber den USA aber auch im „südchinesischen“ Meer, das Zurückschrauben marktwirtschaftlicher Freiheiten für Unternehmen sowie die Beschneidung individueller Rechte im Zuge der Covid-Politik, das menschenrechtswidrige Durchgreifen gegen die Minderheiten im westlichen Xinjiang sowie die Glorifizierung der Person Xi Jinpings. All diese Schritte deuten auf ein autoritäreres, kompromissloseres China hin. 

In jedem Fall wird es für die westlichen Staaten eine Herausforderung werden, sich gegenüber dieser neuen VRC zu behaupten und weiterhin kooperativ zusammenzuarbeiten. Wie man auch anhand der geteilten Meinungen zur Belt-and-Road Initiative, dem babylonischen Infrastrukturprojekt auf dem Eurasischen Kontinent, sehen kann, gehen in Europa die Positionen auseinander: Während sich die einen hüten, zu enge Verflechtungen mit China einzugehen, sind andere mehr als glücklich über die kostengünstigen Infrastruktur-Kooperationen, so z.B. Montenegro, wo chinesische Firmen die erste Autobahn des Landes konstruieren. Eine gemeinsame Antwort auf das neue nationale Selbstbewusstsein der VRC dürfte daher schwierig werden.  


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Titelbild: UN Geneva auf Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

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Ein Gedanke zu „Das war der 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas

  • Johannes Rupprecht

    Ich halte es für ein Gerücht, dass die Iden Xi-Jinping neben jenen von Mao als unumstößliche Grundwerte der Partei stehen. Sie widersprechen komplett den Grundwerten von Mao. Sie sind eher die weltanschauliche Grundlage für den chinesischen Sozialimperialismus. Sozialismus in Worten, Imperialismus in der Wirklichkeit. Das wird hervorragend im Buch von Stefan Engel: „Die Krise der bürgerlichen Ökonomie und des Opportunismus in einem Kapitel über die Xi-Jinping Ideen nachgewiesen. Das Buch ist zu beziehen über den Verlag Neuer Weg bzw. auch über die ÖGB-Buchhandlung.

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