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Fast Fashion als Klimakiller: Billig kaufen und ab in den Müll?

Die Textilindustrie hat an der Klimakatastrophe mit zirka fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen einen beträchtlichen Anteil. Ein T-Shirt verbraucht in der Produktion immerhin 2.500 Liter Wasser und es kommen Tausende Chemikalien zum Einsatz. Ausschlaggebend ist daher auch, wie lange Kleidung genutzt, ob sie repariert und wie sie entsorgt wird. Eine gemeinsame Erhebung von AK und Greenpeace zeigt, dass hier noch viel Luft nach oben ist. Generell hat Fast Fashion in einer klimaverträglichen Welt das Ablaufdatum schon lange überschritten.

Von Nina Tröger und Lisa Tamina Panhuber (A&W-Blog)

Kasten voll, Umwelt und Soziales gehen leer aus

Die Befragten geben im Schnitt jährlich rund 800 Euro für Bekleidung aus, die Hälfte der Kleidung wird jedoch gelegentlich bis gar nicht getragen. Damit hängen umgerechnet ca. 185 Millionen Kleidungsstücke beinahe ungetragen im Schrank. Im Schnitt geben die Befragten an, im letzten Jahr 18 Kleidungsstücke gekauft zu haben (diese Zahl liegt deutlich unterhalb der 50 bis 60 Kleidungsstücke pro Person und Jahr, die etwa Handelsbilanzen ausweisen). Funktionalität sowie hohe Qualität und Verarbeitung sind die wichtigsten Kaufkriterien, aber auch der günstige Preis ist für 78 Prozent sehr oder eher kaufentscheidend. Deutlich weniger Befragte achten auf hohe Umwelt- (44 Prozent) oder Sozialstandards (40 Prozent). 43 Prozent der Befragten drücken ihre Bereitschaft aus, teurere und langlebigere Produkte zu kaufen – haben das aber bisher noch nicht getan.

Modeketten und Online-Shops sind „Burner“, die Nutzungsdauer ist kurz

Die Hälfte der Befragten kauft in Filialen von großen Modeketten wie H&M oder Zara ein sowie in Online-Shops oder aus Katalogen von großen Händler:innen wie Amazon oder Shein. Dabei meinte wiederum die Hälfte, gern online zu bestellen, weil es praktisch sei. Nur ein Drittel der Befragten hat im letzten Jahr Secondhand-Mode gekauft oder Tauschbörsen genutzt. Genutzt wird die Kleidung relativ kurz: Langärmelige Oberteile im Schnitt 3,7 Jahre, Hosen 3,3 Jahre und Schuhe nur 2,9 Jahre. Rund die Hälfte (52 Prozent) der Befragten gibt an, aussortierte Kleidung in Textilboxen zu geben, jede:r Dritte entsorgt diese sogar im Müll.

Fast-Fashion-Regulierung erwünscht: Lieferkettengesetz, Vernichtungsverbot, Haltbarkeit

Unter den Befragten herrscht Einigkeit darüber, dass Menschen zu viel Kleidung kaufen. Mehr als vier Fünftel stimmen der Aussage zu, die Umwelt werde durch Kleiderüberproduktion massiv belastet und Fast Fashion sei ein großes Übel. Die Zustimmung zu gesetzlichen Regulierungen ist hoch: 91 Prozent sind für ein Lieferkettengesetz und 86 Prozent für ein Vernichtungsverbot für Neuware. Auch eine dringend benötigte längere Nutzungsdauer von Produkten und die Reduktion von Konsum insgesamt spiegeln sich in der Zustimmung zu reparier- oder recycelbarer Kleidung (83 Prozent), staatlicher Förderung von Reparatur (79 Prozent) und gesetzlichen Mindestanforderungen für die Haltbarkeit von Kleidung (66 Prozent) wider.

Grafik: A&W-Blog

Junge: mehr Kleidung, mehr online, mehr Retouren, mehr Secondhand

Die Befragung zeigt, dass sich das Verhalten von jungen Erwachsenen (16 bis 29 Jahre) im Vergleich zu den älteren Altersgruppen unterscheidet. Gerade in Bezug auf nachhaltigen Kleiderkonsum verhalten sich junge Menschen ambivalent. So liegt die Anzahl der Kleidungsstücke, die junge Menschen im letzten Jahr kauften, deutlich über dem Schnitt (27 zu 18). Junge kaufen zwar zugleich viel mehr secondhand (sowohl online als auch offline – je rund 50 Prozent) im Vergleich zu Älteren (60 bis 75 Jahre, online: zehn Prozent; offline 22 Prozent), aber sie bestellen deutlich häufiger online und haben eine höhere Retourenquote. Junge tragen Kleidungsstücke auffällig kürzer als der Schnitt (insbesondere bei Jacken/Mänteln beträgt die Dauer bei Jungen nur 3,3 Jahre; Mittlere und Ältere: 5,2 Jahre; kurze Oberteile: Junge 2,2, Mittlere und Ältere: 3,7 Jahre). Kaputte Kleidung ist zwar auch der Hauptgrund fürs Aussortieren, aber der Anteil ist bei Jungen niedriger als im Durchschnitt (57 vs. 75 Prozent). Jede:r fünfte Jugendliche sortiert wegen mangelnden Stils aus, bei Älteren ist es nur jede:r Zehnte. Junge Menschen sind beim Reparieren weniger aktiv als Ältere (38 Prozent gegenüber 60 Prozent), jedoch teilen sie Kleidung mit anderen öfter, diese Praktik ist bei Älteren so gut wie gar nicht vorhanden (Junge: 37 Prozent, Ältere: drei Prozent). Mode ist laut jungen Menschen ein wichtiger Ausdruck von Persönlichkeit und ein Zeichen von Erfolg, daher sind ihnen auch neue Modetrends wichtig (30 Prozent; Ältere: sechs Prozent). Jugendliche sind etwas gutgläubiger und denken, die Nachhaltigkeit im Textilbereich sei auf einem guten Weg: Kleidung aus Textilsammelboxen kommt bei Menschen an, die sie brauchen (Junge: 68 Prozent; Ältere 57 Prozent); Recycling funktioniert gut (49 Prozent zu 37 Prozent); Modeindustrie tut viel für Nachhaltigkeit (49 Prozent zu 23 Prozent).

Grafik: A&W-Blog

Überproduktion als Klimakiller

Die globale Textilindustrie ist für zirka fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gigantisch ist auch der Wasserverbrauch der Textilproduktion, der mit 93 Milliarden Kubikmetern jährlich in etwa dem doppelten Fassungsvermögen des Bodensees entspricht. Auch am Ende des zu kurzen Lebenszyklus gibt es gravierende Auswirkungen. Nur der geringste Teil entsorgter Kleidung wird recycelt. Der größte Teil wird noch in den Ländern des Globalen Nordens verbrannt oder in den Globalen Süden exportiert und flutet dort die Textilmärkte, wird verbrannt oder landet im Müll. So wurden 2018 in Österreich 170.042 Tonnen Textilabfälle verbrannt und 41.000 Tonnen getragene Kleidung exportiert, aber nur 15.071 Tonnen recyceltWeltweit wird jede Sekunde eine Lkw-Ladung an Kleidungsstücken verbrannt oder auf einer Mülldeponie entsorgt. Durch die ungehemmte Überproduktion von Kleidung im Kontext von Trends wie Fast Fashion, Saisonmode und dem boomenden Online-Versandhandel werden die katastrophalen Auswirkungen der Textilindustrie multipliziert.

Menschenunwürdige Produktionsbedingungen

Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments bezeichnete in einem Bericht die Arbeitsbedingungen in der asiatischen Textilindustrie als der Sklaverei ähnlich. Die Clean Clothes Campaign prangert eine lange Liste an Missständen an: Hungerlöhne, gefährliche Arbeitsplätze, fehlende Jobsicherheit und Rechtsverbindlichkeit, Verletzung oder Mangel von Arbeiter:innenrechten, Diskriminierung, Kinderarbeit und schlechte gewerkschaftliche Organisation oder sogar Union Busting. So erhalten Textilarbeiter:innen durchschnittlich nur etwa 0,6 Prozent des Preises eines T-Shirts als Lohn. In osteuropäischen Ländern, wo hauptsächlich für den westeuropäischen Markt produziert wird, beträgt der gesetzliche Mindestlohn in der Textilbranche etwa 20 bis 30 Prozent eines existenzsichernden Lohns. Aber selbst der wird oft nicht gezahlt. Die Arbeitszeiten in der Textilproduktion sind ebenfalls extrem. In einem unlängst von Greenpeace veröffentlichten Bericht über den Ultra-Fast-Fashion-Konzern Shein ist von elf Stunden pro Tag an 29 Tagen im Monat die Rede.

Beitrag von Konsument:innen zählt

Ergänzend zu den dringend notwendigen politischen und unternehmerischen Handlungsfeldern, können auch Konsument:innen ihren Beitrag leisten. Die bereits vorhandene Kleidung im eigenen Schrank ist immer die nachhaltigste Mode. Der hier wichtigste Beitrag für Umwelt und Klima ist es, Kleidung möglichst lange zu tragen, diese auch zu reparieren und/oder secondhand einzukaufen. Beim Kauf im Internet sollte gezielt bestellt werden, hier helfen etwa digitale Größentools als Unterstützung, damit Retouren reduziert werden. Kleidung, die nicht mehr gefällt, sollte möglichst an andere direkt weitergegeben werden, z. B. bei einem Kleidertausch. Kleidung kann natürlich auch gespendet werden, allerdings mit Blick darauf, was konkret damit passiert (bei vielen Textilsammelboxen wird die Ware weitergehandelt). Gut ist, direkt an karitative Organisationen zu spenden. Kaputte Kleidung soll nie im Restmüll entsorgt werden, dort wird diese vernichtet. Besser ist es, diese jedenfalls zu einer Wertstoffsammelstelle zu geben, damit zumindest noch Dämmmaterial daraus gemacht werden kann.

Handlungsbedarf für Politik und Unternehmen

+ Vernichtungsverbot neuwertiger Textilien: Derzeit wird ein nationales Vernichtungsverbot für neuwertige Textilien diskutiert. Es muss rasch einen Gesetzesentwurf dazu geben.

+ Förderungen für Reparaturdienstleistungen: Für Reparaturdienstleistungen sowie Leih- und Sharing-Systeme braucht es mehr Förderungen. Ressourcen zu sparen heißt auch, Konsumgüter möglichst lange zu nutzen, dafür braucht es Anreize. Reparaturen müssen einfacher und billiger als ein Neukauf sein. Der Reparaturbonus soll auch auf Textilien ausgeweitet werden.

Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit forcieren: Schon im Design sollen stärker umwelt- und klimaverträgliche Kriterien berücksichtigt werden – dazu braucht es eine rasche Umsetzung der Ökodesign-Verordnung und der Textilstrategie von der EU-Kommission.

+ EU – starkes Lieferkettengesetz: Hersteller:innen und Händler:innen müssen die Stationen ihrer Lieferkette transparent offenlegen und für Menschenrechtsverletzungen, Gesundheitsschäden oder Umweltschäden in der Produktion haften. Der aktuelle Entwurf der EU-Kommission muss nachgebessert werden, auch mittelgroße Unternehmen erfassen und um stärkere Vorgaben für Klimaschutz ergänzt werden.

+ Mehr Transparenz und starke Gütesiegel: Es braucht mehr Transparenz über Materialien und Herstellung der Produkte, zum Beispiel durch einen digitalen Produktpass und Gütezeichen, die unabhängig kontrolliert werden und besser als gesetzliche Mindeststandards sind. Weiters muss der Gütezeichen-Dschungel durch ein neues Gütezeichen-System (Vorab-Prüfung und Zulassung nur von bestimmten Gütezeichen) reduziert werden.

Konzerne – Systemwandel einleiten: In allen Konsumgüterbranchen müssen Produktionszyklen entschleunigt und langlebigere und hochwertig recycelbare Produkte hergestellt werden. Diese Unternehmen müssen jetzt glaubhaft damit anfangen, Alternativen zum Neukauf anzubieten: Reparatur-Services, Secondhand sowie Angebote zum Mieten, Tauschen oder Teilen.

+ Standardisierung von Kleidungsgrößen: Einheitliche, normierte Kleidungsgrößen unterstützen Konsument:innen beim Online-Kauf und helfen, Retouren zu verringern.

Die Studie im Detail mit genauen Ergebnissen findet sich hier.


Dieser Beitrag wurde am 10.02.2023 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Markus Spiske auf Unsplashion

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