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Allein die Steiermark verbraucht mehr Boden als es ganz Österreich sollte

Es steht schlecht um die lebenswichtige Ressource Boden. Und das Steuersystem fördert die Verbauung in Österreich auch noch. Dass und wie es besser geht. zeigt der Bodenatlas 2024 von Global 2000 und der Heinrich-Böll-Stiftung.

Von Lisa Wohlgenannt (MOMENT Magazin)

Noch immer werden in Österreich jeden Tag 11,5 Hektar Boden neu in Anspruch genommen – und gehen so als natürlicher Lebensraum verloren. Das ist fast fünfmal so viel, als sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat. 2002 beschloss sie: ab 2010 sollten nur mehr 2,5 Hektar pro Tag in Anspruch genommen werden. Doch niemand hält sich auch nur ansatzweise daran.

“Das Steuersystem fördert die Verbauung”

Unter den Bundesländern sind laut Bodenatlas die Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich Vorreiter:innen in Sachen Bodenverbrauch. Die Steiermark nahm zwischen 2018 und 2020 durchschnittlich 3 Hektar pro Tag in Anspruch. Niederösterreich und Oberösterreich jeweils 2 Hektar. Darauf folgt das Burgenland mit 1,4 Hektar und Kärnten mit 1,1 Hektar. Tirol verbraucht 0,8 Hektar pro Tag, Salzburg und Vorarlberg 0,4 Hektar und Wien 0,2 Hektar. 

„Alleine die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark haben in den letzten 10 Jahren einzeln mehr Flächen verbraucht, als es für ganz Österreich das Ziel ist. Es braucht mehr Raumordnungskompetenzen bei den Ländern oder beim Bund. Die aktuelle Kommunalsteuer auf Gemeindeebene fördert die Verbauung“, erklärt Dominik Linhard, Biologe und verantwortlich für den Bodenatlas bei GLOBAL 2000. 

Durch die Kommunalsteuer nehmen aktuell Gemeinden mit hoher Flächenverbauung mehr Geld ein als jene, die weniger Boden verbrauchen und die Umwelt schonen. Ein falscher Anreiz. Deswegen braucht es Reformen, festgeschriebene Ziele und Richtlinien.

Lösungen sind nicht in Sicht

Bund, Länder, Städte und Gemeinden verhandeln schon länger eine Bodenschutzstrategie. Darin soll das Ziel von maximal 2,5 Hektar pro Tag festgeschrieben und damit verbindlich werden. Die meisten Beteiligten stimmten inzwischen sogar zu. Nicht jedoch das schwarz-blaue Oberösterreich und der Gemeindebund. 

Auch auf EU-Ebene wurden schon Anläufe unternommen, um den Flächenfraß zu beenden. 2006 startete die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative, die Böden schützen sollte. Im Europäischen Parlament fand sich auch eine Mehrheit für die Bodenrahmenrichtlinie, nicht aber im Europäischen Rat – wo die nationalen Regierungen das Sagen haben. Länder wie Österreich, Deutschland und die Niederlande blockierten einen entsprechenden Beschluss. 

Der einzige einheitliche rechtliche Rahmen auf EU-Ebene sei die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Mitgliedstaaten. Demnach müssen alle Agrarbetriebe, die Geld von der EU wollen, bestimmte Auflagen erfüllen. Expert:innen kritisieren, dass sie nicht wirksam genug ist. Und damit haben sie wohl recht.

Immer weniger intakter Boden erfüllt immer weniger lebenswichtige Funktionen 

Mittlerweile gelten mehr als 60 Prozent der Böden in der Europäischen Union als geschädigt, informieren die Organisationen. Dabei erfüllt der Boden für uns lebenswichtige Funktionen. Wir brauchen ihn, um Lebensmittel anzubauen, für Trinkwasser und die Artenvielfalt. Er speichert CO₂ und Wasser und ist damit wichtig im Kampf gegen die Klimakrise. Außerdem kühlt Boden die Luft ab – im Gegensatz zu verbauten Flächen. Aber eben nur, solange der Boden intakt ist.

 

Damit mehr Boden intakt ist und bleibt, fordern Global 2000 und die Heinrich-Böll-Stiftung ganz unterschiedliche Maßnahmen. 

Wir müssen: vermeiden, wiederverwerten und minimieren

Man müsse vermeiden, wiederverwerten und minimieren. “Vermeiden” bedeute, besonders wertvolle Flächen zu schützen. Die Schweiz wird als positives Beispiel dafür genannt. Die produktivsten Landwirtschaftsböden seien dort für die Ernährungssicherung gesetzlich vor Verbauung geschützt. Außerdem müssen die Zielwerte festgeschrieben werden. 

In Österreich stehen laut Schätzungen etwa 40.000 Hektar Flächen leer. Im Sinne der Wiederverwertung sollten diese wieder in Betrieb genommen werden, ehe neue Flächen in Anspruch genommen werden. Dafür brauche es eine Revitalisierungsoffensive mit Förderungen und einer Leerstandsabgabe.

“Minimieren” bedeutet, möglichst wenig Boden zu verbrauchen und stattdessen höher bzw. tiefer zu bauen. 

Außerdem brauche es nachhaltiges Bodenmanagement, gerade für landwirtschaftlich genutzte Böden. Effektiv sei es dabei, Zwischenfrüchte in Fruchtfolgen anzubauen. Wer die richtigen Pflanzen setze und kombiniere, könne auf Pestizide wie Glyphosat verzichten. Außerdem muss natürlich weniger Fläche versiegelt werden.


Dieser Beitrag wurde am 11.01.2024 auf moment.at unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Jordi De Roeck  auf Pexels

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