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Stolz und Vaterland

Gastbeitrag: Ein kritischer Essay über die patriarchale österreichische Gesellschaft von Maxie Müller.

Eine latent vorhandene Unzufriedenheit in den Häusern Österreichs existiert. Die derzeitige Politik sagt wohl niemandem zu. Außer vielleicht den konservativen Patriotinnen und Patrioten, aber selbst denen ist der Nehammer zu unnormal. Die jungen Generationen sind faul und desinteressiert und die älteren leben realitätsfern. Dem ein oder anderen Michael jagt selbst die neue Familie von nebenan, aus dem Kosovo immigriert, Angst ein. Dafür hat man Verständnis. Man will doch nicht, dass der Nachbarssohn der eigenen Tochter schöne Augen macht.

Aber einen Moment mal… Sind es nicht eher die Jungs auf den Mopeds, welche besorgniserregenden Alkoholkonsum praktizieren, vor denen die Mädchen beschützt werden sollten?

Doch hier in Österreich ist man stolz auf solch echte, starke Männer! Und die jungen Damen, die sich deren abwertendes Verhalten gefallen lassen, passen perfekt ins Bild. Das definiert doch den Traum eines eingesessenen Österreichers. Nur wo liegt jetzt das offensichtliche Problem? Das fragen sich überraschend viele. Meistens nach der nächsten Schlagzeile in einer Boulevardzeitung über einen 17-Jährigen, der betrunken vom Zeltfest mit Papas Auto nach Hause fährt und in den nächsten Baum gekracht ist.

Sehr gerne führt man solch unbedeutende Malheure auf die wilde Jugend zurück. Eine passende Geschichte aus der eigenen Blütezeit rundet das daraufhin schön ab.
Und genau hier triff man auf die Problematik. Österreichs Kinder werden von Österreichs erwachsenen Kindern erzogen. Beginnend mit dem alljährlichen Flaggenmalen kurz vor dem 26. Oktober wird schon im Kindergarten eine Vorliebe für die Farben rot und weiß mitgegeben. Das Auswendiglernen der Nationalhymne und dem Glaubensbekenntnis gehört in der Volksschule natürlich auch zum guten Ton. Man sollte keine Sekunde vergehen lassen, sonst sind die Kleinen schon zu alt, um von herrschendem Nationalstolz und der Kirche indoktriniert zu werden. Bedauerlicherweise endet es nicht außerhalb von staatlichen Organisationen.

„Viel gerühmtes Österreich“ summend kehren die Schülerinnen und Schüler vom Religionsunterricht nach Hause und hören nun zwischen Sauerkraut, Wein und Geselchtem ihren Eltern dabei zu, welch unerhörte Frechheit es doch ist, dass Frau Soundso schon wieder einen neuen Kavalier an ihrer Seite hat. Ein paar sexistische Aussagen später und der Vater bleibt sitzen, während die Mutter den Tisch abräumt. So, wie es sich gehört! Am Sohn zieht das nicht spurlos vorüber.

Am Nachmittag geht es dann ab in die Katholische Jungschar. Hier fühlt er sich seinen weiblichen Kameradinnen plötzlich haushoch überlegen. Nachdem die Kinder die Bibel in der Hand hielten, wurde auch bei diesem Systemdiener das Ziel erreicht. Dass die Jungen beim Spielen die Mädchen hänselten, blieb von den Betreuerinnen und Betreuern jedoch unbemerkt. Womöglich wurde nur darüber geschmunzelt. „Die Burschn… Die spün imma so wüd.“

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Die spielerische Art, den Kindern hier den Katholizismus nahe zu bringen, stellt einen großen Vorteil für die Kirche dar. Ministrantinnen und Ministranten werden nicht nur während der Messe benötigt. Nein, die Kleinen erfahren, dass Religion hier zum Dasein dazu gehört. Eltern hinterfragen nicht sondern nehmen es meist als gegeben hin. Das kleine Taschengeld nach besonderen Ereignissen wie Sternsingen oder Ratschen zeigt sich natürlich als zusätzlich verlockend.

Später, als der Junge heimkehrt, darf er den Vater in den Wald begleiten. Der jagt nämlich zum Fressen gern. Die Waffen und toten Tiere schüchtern ihn zunächst ein, doch nachdem er beobachtet, mit welcher Freude und Stolz der Vater bei der Sache ist, will der Junge unbedingt einmal das Gewehr halten. Zu seiner damaligen Tierliebe hat er augenblicklich den Bezug verloren. Wieder zu Hause angekommen weiß der Junge nun genau, was er einmal werden will. Ein Jäger, ganz wie der Papa. Vor Lebewesen hat er jeglichen Respekt verloren.

Am nächsten Morgen auf dem Schulweg machen er und seine Freunde sich einen Spaß daraus, Schnecken zu zertreten. In der Zeit der Pubertät werden Ego-Shooter-Spiele unter seinen Altersgenossen beliebt. Er ist hin und weg, denn nie lehrte ihm jemand den Unterschied zwischen Spiel und Realität. Die Waffe wird zu einem coolen Accessoire und das Wissen von seiner Überlegenheit äußert sich in Rücksichtslosigkeit und Aggressivität.

Mädchen sind für die Jungen nun nicht mehr als ein sexuelles Objekt. Die Persönlichkeit einer Frau liegt für sie hinter großen Brüsten und runden Hinterteilen versteckt. Dass jene auch Gedanken und Emotionen hat, ist für sie nicht nachvollziehbar. Unüberlegte Witze werden gerissen und die Mädchen akzeptieren es leider, da kaum ein Bub ihnen Respekt erweist. Sie finden sich damit ab. Frauenverachtende Männer werden für sie zur Normalität. Sie lachen über typische Küchenwitze und feinden sich gegenseitig an. Nicht, weil die Mädchen es wahrhaft lustig finden. Sie kämpfen lediglich um ihr Überleben in einer männerdominierten Welt.

All diese Traditionen und Taten, die von Erwachsenen vor ihren Kindern ausgeübt werden, hinterfragen junge Wesen aufgrund ihres Alters kaum. Sie bewundern ihre Eltern, ihre Vorbilder. Dieser Teufelskreis hat kein Ende in Sicht, wenn so weiter gemacht wird, wie bisher. Von Generation zu Generation werden umweltverachtende Machos erzogen und kaum einer schaut hinter den Schleier. Kaum einer nimmt das Steuer in die Hand und probiert sich an einer Änderung der vorhandenen Umstände im System. Das Problem sollte endlich erkannt und am Schopfe gepackt werden, damit es zu einer ersten, aber entscheidenden Veränderung kommt.


Maxie Müller ist Fotografin und Autorin. Sie beschäftigt sich schon lange mit Feminismus, Patriotismus, Patriarchalismus und Politik in Österreich. Ab und zu entstehen aus philosophischen Überlegungen Essays und Artikel.

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Titelbild: Ante Hamersmit auf Unsplash

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Ein Gedanke zu „Stolz und Vaterland

  • Werner Kabler

    Ein bisschen Wahrheit, die hoffentlich aufweckt! Bitte mehr von Maxie Müller!

    Antwort

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