Das haben Sie beim EURO-Schauen verpasst
[3K – Massenmedien am Montag: Folge 73]
Russische Hooligans haben der Sbornaja eine Sperre auf Bewährung eingehandelt, nachdem sie den englischen Sektor beim gemeinsamen Auftaktspiel attackierten. In einem Pariser Vorort wurden zwei PolizistInnen erschossen, ein Ehepaar. KommentatorInnen fragten zurecht, wie beides bei den dichten Sicherheitsvorkehrungen möglich war. Was soll Terror verhindern, was schon brutale Fans nicht aufhält? Dass die Russen und ein Österreicher in Turbo-Verfahren verurteilt wurden, stört indes niemanden. Der politische Ausnahmezustand fügt sich ja hervorragend in den sportlichen. Supporter der drei Löwen haben später bettelnde Kinder in Lille entwürdigt. Das war allenfalls eine Randmeldung und keine Strafe wert. Die Opfer waren ja nicht weiß noch im Stadion. Das Leitmotto no to racism ist kaum mehr als eine Phrase, gleich, wie viele Schwarzköpfe oder Ićs (Arnautović, Ibrahimović) einem Team angehören.
Gleichzeitig streiken und demonstrieren immer noch zehntausende gegen die Arbeitsmarktreform des sozialdemokratischen Präsidenten François Hollande. Wenn Thema der Nachrichten, werden diese Proteste (wie die Blockaden in Wien) auf Krawalle verkürzt. Unternehmerfreundliche Gesetze hier, Rechtsradikale, Neonazis dort? Egal, es gibt ja „linke Gewalt“, über die gewohnt verzerrt berichtet wird.
Die Ermordung der britischen Labour-Politikerin Jo Cox hat in Großbritannien zur Unterbrechung der Brexit-Kampagnen geführt. Die FPÖ wiederum hielt die Einladung Marine Le Pens wie anderer Faschisten und Nationalisten nach Wien und Vösendorf aufrecht. Empörung war nur von links zu vernehmen, nicht von anderen Parteien noch Medien. Die waren damit beschäftigt, den Terroristen von Orlando entweder als verkappten Schwulen oder doch als „Islamisten“ zu bezeichnen, während man die neonazistische Gesinnung von Cox‘ Mörder durch Hobbypsychologie verwässerte.
Letzterer soll beim Anschlag „Britain first!“, also Britannien zuerst geschrien haben. Vor Gericht sagte er, sein Name sei „Tod für Verräter“. Die Position, die hier bedient wird, dockt an beim identitären und freiheitlichen Geschwafel vom „großen Austausch“ und „Ethnopluralismus“. Im Endeffekt bedeutet das ethnische Säuberungen durch Massenabschiebung („Remigration“) und eine völkische Homogenisierung Österreichs. Es bedeutet auch die Reduktion der Frau auf ihre biologische Funktion als Antwort auf demographischen Wandel.
Solche Rhetorik macht nicht nur physischen Terror salonfähig, sondern auch virtuell-verbalen. Daher ist es nur logisch, dass jene, die ihre Töchter und Partnerinnen aus Angst vor Ausländern nicht mehr außer Haus lassen, Frauen Vergewaltigungen und Tod wünschen, wenn sie gegen reaktionäre Menschenbilder aufbegehren. Ingrid Brodnig führt das profil #GegenHassimNetz.
Unterdessen wollen die transatlantischen Eliten TTIP retten. Wenn die EURO mal aus ist, werden wir uns vermutlich wundern, dass trotz Leaks und Panama Papers Argumente gegen den Freihandel belächelt wurden, untergingen.
Foto: Patrice CALATAYU – Euro 2016 … (Lizenz: CC BY 2.0)