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Freihandel nur bei Freizügigkeit

Die Weltpolitik legt ihren Schwerpunkt fast vollständig auf Waren, Güter und Geld. Der Mensch wird vergessen. 

Ein Kommentar von Valentin Grünn

TTIP scheint tot zu sein, zumindest scheintot für die Zeit der „Trumpatur“. Bei CETA wurden zumindest die geheimen Schiedsgerichte abgewendet. JEFTA, das Abkommen mit Japan, schafft es gerade in die öffentliche Diskussion. Andere Freihandelsabkommen sind noch in Verhandlung oder angedacht.

Der Trump’sche Protektionismus wird den Welthandel verändern, Warenströme kappen, andere Warenströme schaffen. China ist am Freihandel mit Europa interessiert; was auf Gegenseitigkeit beruht. Australien streckt seine Fühler auch auf den alten Kontinent aus. Europa will in Indien Fuß fassen und das Abkommen mit den westafrikanischen Staaten muss nur noch von drei Staaten, darunter Nigeria, die größte Wirtschaftsmacht der ECOWAS-Staaten, unterzeichnet werden.

Doch genauso wie sich in Europa der Widerstand gegen CETA formierte, sieht Nigeria die massiven Nachteile eines solchen Abkommens, weshalb sich die Unterzeichnung dort und in zwei anderen Ländern verzögert. Nigerianischen Ökonomen warnen, „dass EPA unsere Märkte in eine Müllhalde für europäische Produkte verwandeln würde.“ Mit Afrika wird es Freihandelsabkommen zwischen ungleichen Partner geben. Schon jetzt nötig die EU diese Staaten zur Unterschrift – mit der Drohung der Kürzung der Entwicklungshilfe.

Die Karten werden nun neu gemischt, was Chancen öffnet.

All diese Abkommen haben einzig das Ziel des freien Warenverkehrs, wobei sowohl Afrika als auch Indien außer Rohstoffen wohl kaum interessante Produkte für den europäischen Markt anbieten werden können. Sie werden ihre Rohstoffe billig verscherbeln müssen um hochwertige Produkte einführen zu können. Geld, Rohstoffe und Reichtum werden vor allem in eine Richtung fließen, während die Menschen von dort bei uns weiter ausgesperrt sein werden.

Die Weltpolitik legt ihren Schwerpunkt fast vollständig auf Waren, Güter und Geld. Der Mensch wird vergessen, er ist lediglich Konsument und Verfügungsmasse zur zwangsweise anfallenden Arbeit. Doch die ist im Abklingen, so will der Produzent des Apple-I-Phone sein Werk komplett automatisieren; die Arbeitskraft wird global auf der Strecke bleiben. Dass in Drittwelt-Ländern ein bedingungsloses Grundeinkommen die sozialen Verluste auffangen wird ist eher nicht zu erwarten. Und es liegt schlichtweg nicht im Interesse der Konzerne und der Wirtschaftsunternehmen, dass der Mensch mobil ist. Wir sehen, wie weltweit neue Zäune und Grenzen gezogen werden. Mittelfristig wird sich der Bewegungsspielraum des Menschen zugunsten der Produktivität einschränken.

Jetzt werden die zukünftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das nächste halbe Jahrhundert gestellt, sie werden die Zeit von Trump lange überdauern. Den Staaten ist angeraten, nicht dieselben Fehler zu begehen, die seit Beginn des Turbokapitalismus für eine wachsende Ungerechtigkeit in der Welt sorgen. Es liegt nun an den wahren demokratischen, den humanistischen Kräften dem neuen System ihren Stempel aufzudrücken und ein Weltwirtschaftssystem zu schaffen, das den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt… und das nicht nur als Arbeitskraft.

Nigeria stellt sich auf die Hinterfüße und will nicht jede Bedingung akzeptieren. Es ist zu hoffen, dass das Abkommen nachverhandelt wird und dann humanitäre Schwerpunkte eingefügt werden.

Ein Freihandel ist die Freizügigkeit der Waren. So frei wie der Handel mit Waren sein wird, so frei muss die Freizügigkeit der Menschen sein. Beides sollte einander bedingen. Dazu zählen nicht nur Besuche oder Urlaubsreisen, dazu zählen ausdrücklich auch die Arbeits- und Bildungsmigration; legale Möglichkeiten am globalen Leben und nicht nur am globalen Konsum teilzunehmen.

Von der weltweiten Gerechtigkeit abgesehen, die dann geschaffen werden kann, hat diese Verknüpfung einen weiteren, ich sage den wohl gewichtigsten Grund: Die reichen Staaten werden daran interessiert sein, die lokalen Märkte zu erhalten und den Menschen in ihren Heimatländern wieder eine Zukunftsperspektive zu geben; dann erst werden sie Sorge tragen, dass die Menschen zu Hause ein ausreichendes Einkommen haben und nicht aus Armut und Perspektivenlosigkeit wandern müssen. Dann wird auch der Migrationsdruck, der gerade gen Mittelmeer drückt, ein Ende haben… erst dann.

In den süd- und osteuropäischen Ländern hat mit den EU-Erweiterungen dieses Konzept funktioniert. Griechenland, Italien, Spanien und Portugal und auch die osteuropäischen Länder haben sich sehr schnell einen hohen Lebensstandard geschaffen, ohne dass Massen von Menschen nach Mitteleuropa geströmt sind; allen Unkenrufen zum trotz. Die gegenwärtige Misere im Süden, da sind wir uns glaube ich einig, ist die Folge des ungehemmten Raubtierkapitalismus und nicht der Freizügigkeit.

Stellt also den Menschen wieder in den Mittelpunkt, stellt ihn über die finanziellen Interessen einiger reicher Global Player und fallt nicht auf die Angstmache des Kapitals und der Nationalisten rein. Es kommt jedem zu Gute, auch wenn es noch nicht jeder glaubt.

Titelbild: Demonstration gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA in Graz, Dezember 2014 (Foto: KPÖ Steiermark)

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