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Dramatischer Artenschwund bei Insekten bestätigt: Ein Drittel weniger Arten

Insektensterben durch neue Biodiversitätsstudie bestätigt – erschreckend vor allem im Umfeld industrieller Landwirtschaft.

Von R. Manoutschehri

Im Rahmen einer breit angelegten Biodiversitätsstudie hat nun ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) zwischen 2008 und 2017 eine Vielzahl von Insektengruppen in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg erfasst. Die ForscherInnen haben auf 300 Flächen über eine Million Insekten gesammelt und konnten so nachweisen, dass viele der fast 2.700 untersuchten Arten rückläufig sind. Einige seltenere Arten wurden gar nicht mehr gefunden.

Sowohl auf den Waldflächen als auch auf den Wiesen wurde in den letzten zehn Jahren etwa ein Drittel weniger Insektenarten nachgewiesen – in allen untersuchten Wald- und Wiesenflächen: Schafweiden, Wiesen, die drei bis viermal jährlich gemäht und gedüngt wurden, forstwirtschaftlich geprägte Nadelwälder und sogar ungenutzte Wälder in Schutzgebieten.

Industrieller Ackerbau als Arten-Killer

Den größten Schwund stellten die Forscherinnen und Forscher auf den Grünlandflächen fest, die in besonderem Maße von Ackerland umgeben sind. Dort litten vor allem jene Arten, die nicht in der Lage sind, große Distanzen zu überwinden. Am Ende des Untersuchungszeitraums hatte sich die Insektenbiomasse auf nur ein Drittel ihres früheren Niveaus verringert.

Im Wald hingegen schwanden vorwiegend jene Insektengruppen, die weitere Strecken zurücklegen. Das Team stellte fest, dass die Biomasse der Insekten in den untersuchten Wäldern seit 2008 um etwa 40 Prozent zurückgegangen war.
“Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet – das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen”, sagt Wolfgang Weisser, Professor für Terrestrische Ökologie an der TUM, v.a. in Anspielung auf frühere Langzeitstudien von Ehrenamtlichen und NGOs, deren angeblich “zu besorgniserregende” Ergebnisse unter Kritik gerieten.

Hauptautor der im Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie, Dr. Sebastian Seibold, fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Hauptursachen für den Rückgang von Arthropoden in größeren räumlichen Dimensionen liegen und (zumindest bei Grünland) auf landschaftlicher Ebene mit der Landwirtschaft in Zusammenhang stehen.”

Bundesweite Schutzgebiete gefordert

“Dies impliziert, dass die Politik den Landschaftsmaßstab berücksichtigen muss, um die negativen Auswirkungen von Landnutzungspraktiken abzuschwächen. Um den Rückgang aufzuhalten, benötigen wir ausgehend von unseren Ergebnissen eine stärkere Abstimmung und Koordination auf regionaler und nationaler Ebene“ – also bundesweit geplante, statt vieler Einzelinitiativen um lokale Flächen.

Die Studie wurde im Rahmen der Biodiversitäts-Exploratorien ermöglicht, einer offenen Forschungsplattform für Wissenschaftler aus ganz Deutschland. Forschungsgegenstand ist unter anderem, welche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Komponenten der Biodiversität bestehen – etwa zwischen der Pflanzenvielfalt und der Vielfalt der Insekten. Außerdem wird in diesem Projekt erforscht, welche Auswirkungen unterschiedliche Formen der Landnutzung auf die Biodiversität und die Prozesse innerhalb eines Ökosystems haben.

 

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