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Darf’s ein bisserl mehr sein? Über das Aussackeln bei befristeten Mieten

Mit Ende April ist bei rund 6.170 Haushalten der befristete Mietvertrag in privaten Mietwohnungen abgelaufen. Mitten im Lockdown als Preis für eine Verlängerung des Vertrages mehr Miete zahlen oder die Wohnung verlieren – das zeigt das Problem nur im Extremen. Befristete Mietverträge sind auch sonst ein Skandal: Sie lassen die Menschen in Unsicherheit, machen sie erpressbar und rauben ihnen Geld und Recht.

Von Thomas Ritt ist Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der AK Wien.

Befristungen als neue Norm

Befristete Mietverträge sind beinahe zur Normalität geworden. 70 Prozent der neuen Verträge im privaten Wohnsektor können nur mehr befristet abgeschlossen werden. Damit ist eine eigentlich als Ausnahme gedachte Regelung zur Norm geworden. In einem Wohnungsmarkt, der durch Spekulation, Geldanlageobjekte und daher Wohnungsknappheit gekennzeichnet ist, bedeutet das, dass die Marktmacht bei den VermieterInnen liegt. Das führt zu drastischen Mietsteigerungen. Wer nach Befristungsende nicht noch mehr zahlen kann, der fliegt. Der Wohnungsmarkt wird nur durch den großen Anteil an kommunalen bzw. gemeinnützigen Wohnungen stabilisiert, der auch ohne Befristungen und Mietwucher auskommt. Die privaten Preissteigerungen sind exorbitant: Hauptmietzinse sind in Wien seit 2008 um 75 Prozent, in Österreich um 55 Prozent gestiegen. Ein wichtiger Preistreiber sind Erhöhungen anlässlich der Verlängerung befristeter Mietverträge.

142 Millionen Euro Überzahlung jährlich

Dabei müsste das, auch im privaten Wohnsektor, gar nicht so sein. Die Rechtslage wäre theoretisch hilfreich. Im Altbau gilt das Mietrechtsgesetz. Das legt über Richtwerte und ein Zu- und Abschlagssystem eine Mietzinsobergrenze fest. Und da befristete Mietverhältnisse auch für den Gesetzgeber offensichtlich eine mindere Qualität haben, müssen von dieser Obergrenze 25 Prozent abgezogen werden, wenn der Vertrag befristet ist. Schön und gut – nur das macht praktisch kein/e VermieterIn. Die neueste AK-Analyse der Betriebs- und Mietkosten ergibt, dass bei allen aufrechten befristeten Mietverträgen in privaten Althäusern MieterInnen in Österreich jedes Jahr mindestens 142 Millionen Euro zu viel an Miete bezahlen müssen. So wird bei befristeten Altbaumietverträgen ein unrechtmäßiger Aufschlag von durchschnittlich 35 Prozent kassiert: In einer befristeten, privaten Altbaumietwohnung in Österreich zahlt ein Mieter oder eine Mieterin um durchschnittlich rund 1.690 Euro im Jahr zu viel an Miete.

Recht als leere Hülle

Das funktioniert aus zwei Gründen für die VermieterInnen sehr gut. Einerseits werden durch die Befristungsregeln den MieterInnen de facto ihre Rechte entzogen. Wer seine zu hohe Miete einklagt, muss befürchten, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Dann beginnt die Wohnungssuche von vorne, und man muss sein Leben zusammenpacken und Umzugs-, Kautions- und Maklerkosten tragen. Viele machen das deshalb nicht. So wird Recht zu einer leeren Hülle. Befristungen machen Wohnen nicht nur teuer, sondern auch unsicher. In derzeit ohnehin schon schwierigen Zeiten verschärft sich durch befristete Mietverhältnisse eine langfristige Lebensplanung für viele Familien, vor allem für junge. Es ist auch nachteilig, wenn Familien durch erzwungene Umzüge ihre sozialen Netze und das schulische und gesellschaftliche Umfeld verlieren. Immerhin ist langfristiges und leistbares Wohnen eine wesentliche Voraussetzung für sichere Lebensführung. Andererseits ist das Risiko für VermieterInnen, die illegale Mieten verlangen, sehr überschaubar. Klagen MieterInnen doch, dann gewinnen sie in den allermeisten Fällen vor Schlichtungsstelle oder Gericht. Die einzige Konsequenz: VermieterInnen müssen nur diesem Mieter bzw. dieser Mieterin die überhöhte Miete zurückzahlen. Das ist ungefähr so, wie wenn Personen, die beim Schwarzfahren erwischt werden, dann einfach einen Fahrschein lösen können. Nur wenige mit Verstand würden noch für Bahn und Bim bezahlen. Die ökonomischen Anreize, illegale Mieten zu verlangen, sind also extrem hoch.

Sanktionen gegen Mietwucher

Daher braucht es wirksame Sanktionen bei Mietwucher: VermieterInnen sollen etwa bei gesetzwidrig vereinbarten Mietzinsen das Doppelte des unrechtmäßig kassierten Betrages zurückzahlen. Es ist auch zu überlegen, ob hier nicht auch der Tatbestand des Betruges erfüllt ist und auch verfolgt werden sollte, wenn wiederholt eine überhöhte Miete verlangt wird. Aber das ist nur ein erster Schritt aus der Misere. Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden. Wir brauchen ein schnelles Aus für befristete Mietverhältnisse, damit Aussackeln und Erpressung beim Grundbedürfnis Wohnen ein Ende haben.

AK-Wohnberatung hilft: 01/501 65-1345, Mo. bis Fr. 8–12 Uhr, Di. zusätzlich von 15–18 Uhr oder wohnen@akwien.at.

 

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