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Was ist aus den Empfehlungen des Klimarats geworden?

„Was müssen wir heute tun, um morgen in einer klimagesunden Zukunft zu leben?“ Auf diese Frage hat der Klimarat der Bürger:innen im vergangenen Jahr eine Antwort ausgearbeitet. In Form von 93 Empfehlungen, die der Bundesregierung am 4. Juli 2022 übergeben wurden. Ein Jahr später fragen wir uns: Wie viele wurden inzwischen umgesetzt?

Von Lisa Wohlgenannt (MOMENT)

Die erste, grobe Antwort ist – zugegeben – etwas unbefriedigend. Denn wie viel umgesetzt wurde, ist schwer zu beantworten, sagen die Expert:innen. Denn für die einzelnen Empfehlungen sind unterschiedliche Instanzen verantwortlich. Teilweise Gemeinden, Länder, Bund mit unterschiedlichen Ministerien oder die EU. 

Darauf hat auch die Regierung in ihrem Antwortschreiben im Dezember 2022 hingewiesen. Darin hatte sie die 93 Forderungen des Klimarats besprochen. Eine repräsentative Auswahl an 100 Bürger:innen aus ganz Österreich wurden eingeladen, am Klimarat teilzunehmen. 84 taten dies und hatten über sechs Monate 93 Empfehlungen ausgearbeitet, was Österreich im Kampf gegen die Klimakrise unternehmen soll. Ein neues Experiment der demokratischen Mitarbeit in Österreich, das zu viele gern beiseite schieben wollten.

Auf 130 Seiten wurde in diesem Antwortschreiben erläutert, ob und wie die jeweiligen Empfehlungen umsetzbar sind und wer dafür zuständig ist. Ob und wann entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, das blieb unklar. Bis heute.

Viele Empfehlungen des Klimarats wurden nicht umgesetzt.

Einige der Empfehlungen sind nicht detailliert und dementsprechend schwer nachvollziehbar ist, ob und wie weit sie umgesetzt wurden. „Doch viele sind sehr konkret. Und die sind nicht oder nur in kleinen Bereichen umgesetzt worden“, kritisiert Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000. Als Beispiele nennt er die Empfehlung, klimaschädliche Subventionen einzustellen. Diese sind laut einer Studie des WIFO sogar gestiegen, auf aktuell 5,7 Milliarden im Jahr.

Oder die effektive CO2-Bepreisung. In Österreich kostet eine Tonne CO2 aktuell 32,5 Euro. Wegen der Teuerung wurde er nur um die Hälfte des Plans erhöht. Geplant war, den Preis von 30 Euro 2022 jährlich um 5 Euro zu erhöhen, sodass die Tonne 2025 55 Euro kostet. Schon das wäre laut Expert:innen zu niedrig. Der Klimarat der Bürger:innen forderte 120 Euro pro Tonne bis 2025 und 240 Euro pro Tonne bis 2030. Kein Tempolimit, keine gratis Öffis, kein Stopp der Bodenversiegelung, keine Leerstandsabgabe.

Aus dem Umweltministerium wird hingegen aufgezählt, was bereits umgesetzt wurde: Die Forderung nach einer zentralen Stelle für die Kreislaufwirtschaft. Außerdem arbeite man an einem Vernichtungsverbot für Neuwaren. Die Position des Klimarats sei in die Arbeiten zum Denkmalschutzgesetz eingeflossen und auch sonst berücksichtige man viele der Ideen des Klimarats in der laufenden Arbeit.

Einig sind sich beide Seiten, dass es dringend ein Klimaschutzgesetz braucht. Seit Ende des Jahres 2020 hat Österreich kein Klimaschutzgesetz mehr, da das vorherige auslief. „Dieses Gesetzvorhaben befindet sich derzeit in regierungsinterner Abstimmung. Für uns ist klar: Je schneller der Beschluss gefasst werden kann, desto besser“, antwortet das Ministerium auf unsere Fragen. Doch das reicht offenbar nicht. Die ÖVP lässt immer wieder erkennen, dass das Vorhaben bei ihr ganz und gar nicht eilt.

Woran scheitern die Empfehlungen des Klimarats?

Auf die Frage, warum viele der Empfehlungen noch nicht umgesetzt wurden, antwortet das Umweltministerium unter anderem: „All diese Dinge lassen sich natürlich nur dann auch gesetzlich fixieren, wenn es dafür auch parlamentarische Mehrheiten gibt.“ Und die fehlen. 

Zuerst einmal blockiert die Volkspartei beim Klimaschutz, sagt Wahlmüller. Das deutet auch das Umweltministerium an: „Das Wesen einer Koalitionsregierung ist, dass man Kompromisse findet. Das ist nicht immer einfach und trotzdem ist es uns in den vergangenen Jahren gelungen, zahlreiche wichtige Schritte für den Klimaschutz durchzusetzen: Vom KlimaTicket bis zum Einwegpfand.“

Für Verfassungsgesetze braucht es im Nationalrat außerdem eine Zweidrittelmehrheit. Dafür braucht selbst eine geeinte Koalition zusätzlich entweder die Stimmen der SPÖ oder FPÖ. Aber die FPÖ ist sogar schon gegen das Pariser Klimaabkommen und seine Ziele. Unter Pamela Rendi-Wagner hatten auch die Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen Zweidrittelmehrheiten grundsätzlich blockiert, um Druck bei Antiteuerungsmaßnahmen zu machen. 

„Möglich gewesen wäre sehr viel mehr“

Wahlmüller zeigt sich enttäuscht. „Möglich gewesen wäre sehr viel mehr“, sagt er. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) hätte schon letztes Jahr beschlossen werden können. Das Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG) sei genauso wie das Energieeffizienzgesetz (EEffG) zu schwach umgesetzt worden.

Enttäuscht sind offenbar auch die Teilnehmer:innen des Klimarats selbst. Werner Fischer, Pressesprecher des Vereins des österreichischen Klimarats der Bürger:innen, verortet die Probleme noch vor der Umsetzung des Klimarats. “Das Problem ist, dass das Parlament beschlossen hat, den Klimarat einzusetzen. Es wurde aber nicht beschlossen, was mit den Empfehlungen dann passiert”, erklärt er. 

Er und andere Klimarät:innen, Wissenschaftler:innen und Mitglieder des Organisationsteams sagen, dass zu wenig passiert ist. Deswegen planen sie eine Protestaktion und werden sich am 4. Juli, wenn sich die Übergabe der 93 Empfehlungen jährt, um 11 Uhr vor dem Parlament versammeln.


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