AktuellÖsterreich

Hohe Wohnungskosten und „Energiearmut“: bedrohliches Duo!

Als ich vor etwa drei Monaten an dieser Stelle schrieb, steigende Energiepreise bedeuten in Kombination mit anderen Teuerungen eine gewaltige Bedrohung für Menschen mit niedrigen Einkommen, erahnte ich bei Weitem nicht das Ausmaß, in dem diese Entwicklung unsere Gesellschaft herausfordern würde.

Von Rudolf Lehner (A&W-Blog)

Breite Armut als konkrete und reale Gefahr

Das Wort „Energiearmut“ meint das Richtige, wenn darauf hingewiesen werden soll, dass Menschen Not leiden, weil sie es sich nicht mehr leisten können, die Energierechnung zu bezahlen und ihre Wohnung so angemessen zu heizen, dass sie nicht fürchten müssen, zu frieren und krank zu werden. Diese Gefahr steigt mit den explodierenden Energiepreisen für viele Menschen derzeit enorm!

Etwas irreführend ist der Begriff, wenn dadurch Armut eindimensional auf die Ursache Energiekosten zurückgeführt wird. In den allermeisten Fällen wird Armut durch mehrere Komponenten verursacht. Ein ebenso großes Problem wie die Energiekosten sind in diesem Zusammenhang die Wohnungskosten, also vor allem die Mieten. Diese sind in den letzten Jahren massiv gestiegen, in Österreich seit 2010 mehr als doppelt so stark wie das allgemeine Preisniveau, nämlich um über 44 Prozent!

Nach dem Wohnen nun zusätzlich auch die Energie!

Der Österreichische Strompreisindex hat seit April 2021 um 163 Prozent, der Gaspreisindex seit März 2021 um 455 Prozent zugelegt. Diese Kombination aus stark steigenden Wohnkosten (Mieten) und extremen Energiepreissprüngen ist für unsere Gesellschaft und die Politik eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte: Ein großer Teil der Menschen wird mit zunehmenden finanziellen Engpässen konfrontiert sein, Familien mit niedrigen Einkommen werden vielfach nicht mehr wissen, wie sie ihre Fixkosten für Wohnen und Heizen bestreiten sollen. Wenn nicht rasch etwas dagegen unternommen wird, werden immer öfter Menschen zu einer erniedrigenden Prioritätensetzung gezwungen sein: Bei weiterem Sinken des verfügbaren Einkommens werden sie sich nach Bezahlung der Miete oft zwischen einer halbwegs qualitätsvollen Ernährung und einer warmen Wohnung entscheiden müssen. Das ist einer grundsätzlich so reichen Gesellschaft wie der unseren unwürdig, und dem ist durch solidarische politische Gestaltungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Jetzt nicht rasch zu handeln bedeutet, zusätzliche Armut in Kauf zu nehmen, ja sogar zu erzeugen!

Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis und muss daher für alle leistbar sein (bzw. wieder werden). Nur erschwingliches Wohnen für alle verhindert, dass Menschen Probleme beim Bezahlen der Energiekosten bekommen, sich keine qualitätsvolle und gesunde Ernährung mehr leisten oder nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Unheilbringendes Trio: auch bei den Lebensmittelpreisen wird es „rumpeln“

Als hätten Menschen und Familien mit niedrigen Einkommen nicht schon genug Sorgen mit den Wohnungs- und Energiekosten, droht auch noch von einer anderen Preisfront her große Gefahr: Viele Lebensmittelpreise sind schon in den letzten Monaten deutlich stärker angestiegen als der allgemeine Verbraucherpreisindex (VPI), zum Beispiel Fleisch mit bis zu 10 Prozent und Gemüse mit durchschnittlich 10 Prozent. Obwohl allein das durch keine der bisher ausverhandelten Kollektivvertragserhöhungen kompensiert wird, ist es sicher noch nicht das „Ende der Fahnenstange“. Im Lauf der nächsten zwölf Monate erwarten zahlreiche namhafte Expert:innen einen noch viel sprunghafteren Anstieg. Das bedrohliche Duo Energiepreise und Wohnkosten bekommt also „Verstärkung“. Das ist in diesem Fall gar keine gute Nachricht, denn so entsteht ein unheilbringendes Trio.

Wer rasch hilft, hilft doppelt: vor allem bei den „besonders bedürftigen“ Haushalten!

Jetzt nicht rasch zu handeln bedeutet, zusätzliche Armut in Kauf zu nehmen, ja sogar zu erzeugen! Der von der Regierung kurzfristig beschlossene Teuerungsausgleich war ohne Zweifel ein erster Ansatz, und abgesehen von der technischen Umsetzung nicht einmal ein schlechter.

Allerdings wird das nicht ausreichen, insbesondere für jene Menschen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen und oft schon vor dieser Teuerungswelle finanzielle Probleme und Liquiditätsengpässe hatten. Gerade für sie wird es weitere Unterstützungen brauchen, die vor allem darauf abzielen müssen, ihre Einkommenssituation nachhaltig zu verbessern.

Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Vorrang müssen jetzt jene haben, die politisch und administrativ rasch umsetzbar sind:

  • Verzicht auf oder die (vorübergehende) Reduzierung von Steuern.
  • Unverzügliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes und von sozialen Transfers.
  • Heizkostenzuschuss und Wohnbeihilfe können ebenfalls ein Beitrag zur Stabilisierung der Einkommenssituation der betroffenen Zielgruppe sein.

Die politisch oder organisatorisch nicht von heute auf morgen umsetzbaren Vorschläge (z. B. Preisdeckelungen, Preiskorridore, Energie-Hilfsfonds) sollten aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate jedenfalls nicht mehr auf die lange Bank geschoben, sondern zumindest ab sofort seriös verhandelt und vorbereitet werden.


Titelbild: Julian Hochgesang auf Unsplash

Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.