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„Es stand auf Facebook“

Von Stefan Kastél

„Google es!“, „Es stand auf Facebook“. Diese „Argumente“ stammen von zwei Langzeit Trump-Unterstützerinnen namens Paula Johnson und Susan DeLemus. Hintergrund dieser Aussagen war die Frage der CNN-Journalistin Alisyn Camerota, ob es bei den letzten US-Präsidentenwahlen, Wahlbetrug gab. Dies wurde von beiden bejaht.

Der neu gewählte Präsident, Donald Trump, twitterte dazu:

In addition to winning the Electoral College in a landslide, I won the popular vote if you deduct the millions of people who voted illegally

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 27. November 2016

(Übersetzung: „Zusätzlich zu meinem Erdrutschsieg bei den Wahlleuten habe ich auch die Mehrheit der insgesamt abgegeben Stimmen erhalten, wenn man die Millionen Leute abzieht, die illegal gewählt haben.“)

Beweise dafür, wie sie die Journalistin bei diesem Interview forderte? Fehlanzeige.

Norbert Hofer behauptete während des österreichischen Bundespräsidenten-Wahlkampfes wiederholt, dass ein Asylwerber „270.000 Euro kostet“. Das klingt im Moment sehr viel. Aber eben nur im Moment. Was nämlich nicht dazu gesagt wurde ist, dass es sich bei diesem Betrag, um eine Laufzeit von 45 Jahren handelt. Egal. Dieses „Faktum“ wurde so oft paraphrasiert, bis sich die wütenden Kommentare von besorgten Bürgern auf Facebook überschlugen.

„Postfaktisch“ fasst die Situation in der wir uns gerade befinden leider trefflich zusammen, obwohl gewisse Dinge – nach wie vor – einfach nur als „falsch“ oder „richtig“ bezeichnet werden könnten. In diesem Sinne bedanken wir uns beim historischen Institut der Harvard University, aus welchem dieser Begriff eigentlich stammt.

 „Ich habe es auf Youtube gesehen“, „Das stand in dieser einen Gratiszeitung“. Sie lesen richtig. Auf dieser Grundlage beginnen heute politische Diskussionen an Samstag-Abenden, am Arbeitsplatz oder in der Familie. Und ehrlich gesagt, wir dürfen uns nicht daran gewöhnen.

Es mag Menschen geben, die sich gerne in Diskussionen einbringen und das ist gut so. Austausch ist wichtig und sollte uns – diese Gesellschaft – eigentlich weiterbringen. Doch wenn die Debatte dabei von der so genannten „gefühlten Realität“ bestimmt wird, rückt ein Kompromiss oder das berühmte Treffen in der Mitte in weite Ferne. Ich werde eine andere Person nicht davon überzeugen können, dass die Kriminalität in Wien gesunken ist, wenn dieser jemand jeden Tag nur die Horrormeldungen in sämtlichen Boulevard-Blättern dieses Landes auswendig kennt aber noch nie ein Obdachlosenheim oder eine Flüchtlingsunterkunft von innen gesehen hat.

Das Aufbauschen von Halbwahrheiten und die Dramatisierung von Lappalien, führen irgendwann und unweigerlich zu einem bestimmten Gefühl. Hass.

Trump, UKIP (Brexit), Front National (Marine Le Pen), Alternative für Deutschland, FPÖ. Es ist kein Geheimnis, dass es bestimmten politischen Akteuren genau um dieses Gesprächs-Klima geht. Und dieses hat sich insbesondere in den letzten fünf bis sechs Jahren drastisch geändert. Hauptverantwortlich dafür sind die sozialen Netzwerke, durch die sich eine bestimmte Stimmung wie ein Virus verbreiten kann (siehe Flüchtlingsthematik). Ein kurzer Fernsehauftritt mit einer Netto-Redezeit von fünf Minuten ist gar nicht mehr nötig, wenn man auf einer Facebook-Seite mit rund 470.000 „Gefällt mir“ jeden reißerischen Krone-Artikel veröffentlicht.

Was politische Akteure heute sagen oder behaupten, muss nicht wahr sein. Es muss nur in das Konzept passen. Ob es dabei für andere Menschen gefährlich wird, ist irrelevant.

Wir brauchen nicht darüber streiten, dass niemand von uns die absolute Wahrheit gepachtet hat. Nein, auch nicht die Leute, welche „DIE WAHRHEIT ÜBER ANGELA MERKEL!!!!!!!“-Videos machen. Lebensrealitäten von Menschen wertfrei beobachten, das Gespräch suchen und gegenseitige Erfahrungen sammeln, könnte der Schlüssel für eine faktische Ausgangssituation sein, die wir gerade dringend benötigen.

Foto: MEME TN (flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0); Titelbild: Wrong is right (Conan/flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0)

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