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Schauermärchen

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 44]

9785737434_72e11e02a6_zEs war einmal im Herbst im Fünfzehner Jahr, da erzählte man sich im Blätterwald eine gar grausige Mär. Den Anfang machte dem Vernehmen nach der Provinzfunk, darauf folgte die Gratisgazette Heute. So seien zwischen zwei Weinlesen „61.432 Lang- und Faustfeuerwaffen zusätzlich gemeldet“ worden. Der Funk verkündete, möglicherweise läge es an den Flüchtlingen aus dem Morgenland, welche zahlreich durch die Welt zogen zu jener Zeit. Das Blatt erzählte, es läge an der Lage im Lande. Was genau gemeint war, blieb unklar, bis sich ein anderes Billigblatt einbrachte, ein ebenso dreistes, das sich mit dem Namen der Marillenrepublik schmückte. Diese Reichspost gehörte einem pausbäckigen Schreiberling, manche schimpften ihn einen Dampfplauderer. Jedenfalls hieß es, die Flüchtlinge seien ganz sicher der Grund, überdies Raub in den Abendstunden. Eine Provinzpostille brachte kurz nach der anderen die Kunde von der Rüstung auf der Alm, wonach die Bauern und Knechte sich mit langen Büchsen eindeckten, jedoch nicht, um die Pfaffen noch die Herren zu stürzen.

Die üblichen Verdächtigen brachten heiß diskutierte Überlegungen dazu in Umlauf, doch es half nicht. Denn auch „Steirer greifen zur Pistole“. Auch hier war das Gebell und Gezeter groß und dümmlich. Ganz ähnlich verhielt es sich dann im Forum, wo lauter schräge Vögel zusammenkamen, um über ein Thema daher zu schnattern und zu schnarren, dass doch keine dieser Meisen so recht verstand. Da wurde gejohlt und gelogen, dass die Balken brechen. Es gab natürlich auch solche, gerade Eulen, welche wieder und wieder versuchten, den Meisen die Wahrheit näherzubringen. Aber die meisten Meisen glauben doch lieber, was der Vetter des Falkners der Gefährtin des Vaters des Schwagers des Freundes des Steinadlers vor sich her krächzt. Und jeder Steinadler gleicht einem eingebildeten Hahne auf einem Misthaufen.

Es ist nämlich so, dass ein Mann, Markus Wilhelm genannt, in Sölden wohnte. Er war bekannt für sein bissiges Journal, in dem er Deichbauern wie Landesfürsten spottete. An einem nebelverhangenen Tage ließ er die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass der Häuptling der größten Zeitung im Heiligen Lande eine gar unheilige Sünde beging: er schrieb ein Buch ab. Genau einen Tag lang sprach man darüber, von der Presse bis zum HORIZONT stritt man über die Sache. Der Häuptling aber wies alles von sich, er habe angeführt, am Ende eben, von wem er die fraglichen Passagen habe, aber er sei ja kein Gelehrter. Und wahrlich, damit kam er durch! Während anderswo Minister, Prinzen, Statthalter gestürzt werden, sofern sie diese Sünde begehen, während es auch in den Schreibstuben, in Journalen, im Funk redlich ist, die Quellen anzugeben, lockt das Unheilige im Heiligen Land niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Selig sind die Geistlosen und jene ohne Gewissen.

So er nicht im Kerker sitzt, kopiert er. Und so die Meisen nicht der Falke holt, haben sie auch jetzt einen Vogel, zwitschern sie morgen noch mehr. Dies ist das verruchte Ende.

Bilder: Boston Public Library auf flickr Man on horseback hunting ostrich. [front]

Boston Public Library auf flickr – Man hunting with dogs – shooting rifle at dogs. [front] (Lizenz: beide CC BY 2.0)

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