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Bernhards musikalische Rumpelkammer: APRIL 2019

Im Vergleich zu den Vormonaten gab es im April zahlenmäßig weniger Veröffentlichung neuer, lohnenswerter Alben. Das bedeutet allerdings nicht, dass es deswegen weniger gute Musik gegeben hätte – ganz im Gegenteil: gerade die unterschiedlichen Spielarten von Punkrock konnten für Heavy Rotation auf dem heimischen Plattenteller sorgen. 

Doch zwischen melodischen Gitarren, Geschrei und polterndem Schlagzeug bleibt immer noch Platz für Indie- und Folk-Rock, organisch produzierte elektronische Klänge und Drone-Gitarrenwände, die ganze Häuser zum Einsturz bringen können.

TOP 5

  1. Pup – Morbid Stuff
  2. Clowns – Nature/Nurture
  3. Ulf – Es ist gut
  4. 70cm³ Of Your Chest – When I Was A Dinosaur
  5. Sunn O))) – Life Metal

PUP geizen auf ihrem dritten Album „Morbid Stuff“ nicht mit spielerischen Melodien, eimerweise Leidenschaft oder Eingängigkeit. So überbordend und quirlig sich die elf Songs weitestgehend präsentieren, so sehr wird diese spaßige Seite durch die von tiefer Melancholie und Schmerz geprägten Songtexte gebrochen. Diese garniert die Band aus Kanada allerdings mit einer ordentlichen Ladung (schwarzem) Humor – manchmal bleibt einem eben nichts übrig als zu lachen. Mit einer wild um sich schlagenden und dennoch in sich ruhenden Stimmung ein melodisches Poppunk-Highlight des Jahres.

Anspieltipp: 


Die Australier*innen CLOWNS liefern mit ihrem neuen Album „Nature/Nurture“ quasi die Blaupause für das (un-)gepflegte Durchdrehen – den entsprechenden emotionalen Kater nach dem Exzess inklusive. Ihr mit Elementen aus Rock’n’Roll und Hardcore durchsetzter Punk erinnert zunächst an Bands wie Fucked Up. Nach einem melodiösen, verspielten und überdrehten Beginn, wird der Ton des Albums schließlich zwar nicht weniger chaotisch, allerdings zunehmend düsterer. Auch wenn einzelne Songs etwas generisch geraten, weiß das große Ganze in seiner Vielfalt und Spielfreude zu begeistern.

Anspieltipp:


ULF nehmen mit dem Titel ihres Debütalbums jede Form von Fazit schon vorweg: „Es ist gut“. Die Band aus Hamburg schafft es, viele Einflüsse deutschsprachigen Punkrocks aufzunehmen und dennoch einen eigenständigen Sound zu entwickeln. Sehr bassig produziert, schmeißt die Band nur so mit mitreißenden Hooks um sich. Auch die ruhigeren Songs können überzeugen. Die reflektierten Texte werden mit einer Mischung aus vernuscheltem Brummen und beinahe schon hyperventilierendem Japsen dargeboten. Ein starkes Album in einem derzeit an fabelhaften Bands nicht armen Genre.

Anspieltipp:


70CM³ OF YOUR CHEST kehren auf ihrem ersten Album „When I Was A Dinosaur“ in bester Post-Hardcore-Manier ihr Innerstes nach Außen. Die drei Musiker*innen aus Litauen kombinieren tief gespielte, drückende Klangwände mit zerbrechlichen, sehnsüchtigen Melodien sowie tiefes, verzweifeltes Gebrüll mit melancholischem Gesang. Weitestgehend im Midtempo, lässt die Band immer wieder Tempoausbrüche zu. Diese lockern die Stimmung des Albums zwar nicht auf, ergänzen sie allerdings um weitere Facetten. Ein dickes Ausrufezeichen aus dem Underground.

Anspieltipp:


Die Faszination, die von der Musik von SUNN O))) ausgeht, ist nur schwer in Worte zu fassen. Ihr neues Album „Life Metal“ wartet einmal mehr mit fast schon erstickenden und gigantisch verzerrten Gitarrenwänden auf, die ein meditatives Drone-Erlebnis erzeugen. Nicht nur das überraschend bunte Artwork und der ironische Titel sorgen allerdings für neue Facetten. Die organische Produktion von Steve Albini macht den mächtigen Sound unmittelbarer, vereinzelte elektronische Momente und zarte Gesangsmomente sorgen für eine fast schon befreite Stimmung. Ein atmosphärischer Hammer.

Anspieltipp:


Außerdem:

2019 könnte das Jahr der Livealben werden – nachdem bereits Der Weg einer Freiheit und Zeal & Ardor mit fabelhaften Konzertmitschnitten aufwarten konnten, legt BEYONCÉ nun nach. Zeitgleich mit der Netflix-Dokumentation veröffentlicht, ist “Homecoming” das Dokument des 2018er-Coachella-Headliner-Slots. In mehr als 90 Minuten spielt sich Queen B durch ein atemloses Mash-Up ihrer gesamten Diskografie, Destiny’s-Child-Reunion inklusive. Unterstützt wird die Ausnahmekünstlerin dabei von Drumline, Big Band und einer fabelhaften Produktion. So geht umwerfender, politisch bewusster und feministischer Pop.

Eines wird gleich zu Beginn von „Kick“ deutlich: DAVE HAUSE hat sein Melodiegespür aus seiner Zeit in der Poppunk-Band „The Loved Ones“ nicht verloren. Eine ordentliche Prise Bruce Springsteen und entsprechende Americana-Einflüsse garnieren das in der Zwischenzeit vierte Soloalbum des Musikers. Live mit seiner Band „The Mermaids“ unterwegs, sind nach wie vor die Singer-Songwriter-Strukturen erkennbar. Auch wenn die Songs sicherlich nicht vor Innovation strotzen und die große Geste oft eine Spur zu sehr forcieren, wartet „Kick“ mit tollen Momenten auf und macht Spaß.

THE CHEMICAL BROTHERS kehren nach längerer Studiopause mit ihrem neuen Album „No Geography“ zurück. Der darauf enthaltene Sound zwischen Big Beat, Minimal Techno und House ist mit reichlich Gesangssamples unterlegt. Die gesamte Produktion, besonders aber der Drumsound klingen dabei trotz der modernen Produktion überraschend organisch. Das neue Material ist kurzweilig, eingängig und stilistisch vielseitig. Trotz oder gerade wegen ihres Status in der Entwicklung elektronischer Musik klingt das Album stellenweise allerdings etwas aus der Zeit gefallen. Dennoch eine starke Rückkehr.

John Darnielle hat mit seinem Projekt THE MOUNTAIN GOATS zuletzt Konzeptalben über Wrestling und die Gothic-Kultur veröffentlicht. Die Ankündigung, dass „In League With Dragons“ auf Tabletop-Rollenspielen basiert, verwundert daher nicht. Dass mit Drachen auch Popkultur- und Sportlegenden gemeint sind, ist metaphorisch nur konsequent. Der minimalistische Folk der früheren Tage ist mittlerweile einem flächig produzierten Bandsound gewichen. Leider gerät das Ergebnis trotz guter Momente stellenweise arg unspektakulär und kann nicht mit den Vorgängern mithalten.


Bernhard Landkammer schreibt auch für metal1.info. Dort könnt ihr weitere Rezensionen und teilweise ausführlichere Meinungen zu den hier besprochenen Alben lesen.

Bisher:

Titelbild: Bernhard Landkammer/Unsere Zeitung

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