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30 Jahre UN-Kinderrechte: Mitbestimmung und Freiheit

Am 20. November 1989 wurde von den Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes verkündet. Aus Anlass des 30-jährigen Bestehens beschreiben und erklären wir in einer Beitragsserie die wesentlichen Inhalte dieser Völkerrechtskonvention für die Lebensspanne der Kindheit eines jeden Menschen.

Im achten Beitrag unterstreichen Gunther und Benjamin Moll das Recht des Kindes auf Mitbestimmung, Privatheit und das hohe Gut der Freiheit…

Mitbestimmung (Artikel 12, 13 und 15)

Gunther und Benjamin Moll (re.) setzen sich für die Rechte der Kinder ein. (Foto: privat)

Nicht mehr von Instinkten geleitet oder nur ein Teilchen in einem Räderwerk zu sein, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden, das ist eine unserer großen Fähigkeiten. Dies können nicht erst Erwachsene, sondern schon Kinder. Hierzu hat ein jedes Kind das Recht, Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere vom Kind gewählte Mittel sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.

Sich seine eigene Meinung zu bilden ist noch nicht alles. Jedem Kind wird weiter zugesichert, seine eigene Meinung frei zu äußern, in allen es berührenden Angelegenheiten. Auch hierzu ist, wie schon bei der Meinungsbildung, keine Mindestpunktzahl in einem Test zu erzielen oder eine Qualifikation nachzuweisen.

Diese freie Meinungsäußerung eines Kindes kann auch gemeinsam mit anderen und öffentlich erfolgen, denn der Staat erkennt das Recht des Kindes an, sich frei mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln. Nicht erst Erwachsene, sondern schon Kinder dürfen also für ihre Meinung und ihre Interessen „auf die Straße“ gehen.

Die freie Meinungsäußerung ist aber immer noch nicht alles, denn erst jetzt kommt das Entscheidende: Die eigene, frei geäußerte Meinung eines Kindes darf nicht übergangen, sie muss in allen Angelegenheiten berücksichtigt werden.

Die Berücksichtigung der Meinung eines Kindes ist nichts Geringeres als eine Neuausrichtung in der Machtverteilung zwischen Kindern und Erwachsenen. Nicht mehr nur die Meinung der Erwachsenen, sondern schon die der Kinder muss in Entscheidungsprozesse einbezogen, berücksichtigt und umgesetzt werden! Dies bedeutet andererseits, dass Erwachsene keine Entscheidungen gegen die Interessen der Kinder, insbesondere gegen die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen, treffen dürfen.

Folgerichtig gehört zur vollen Berücksichtigung der Meinung auch das Wahlrecht, ansonsten wären Kinder von politischen Entscheidungen ausgeschlossen. Kinder können ab dem zehnten, spätestens dem zwölften Geburtstag in die Zukunft gerichtete Entscheidungen treffen sowie zwischen richtig und falsch beziehungsweise Wahrheit und Lüge unterscheiden. Spätestens zu ihrem vierzehnten Geburtstag verfügen sie zudem über eine achtjährige Schulbildung und eine große soziale Verantwortung. Sie sind jetzt junge Erwachsene. Und Erwachsene dürfen wählen.

Medien und Privatheit (Artikel 16 und 17)

 

Zur Bildung seiner Meinung erkennt der Staat die wichtige Rolle der Massenmedien an und stellt sicher, dass das Kind Zugang hat zu Informationen und Material aus einer Vielfalt nationaler und internationaler Quellen, insbesondere derjenigen, welche die Förderung seines sozialen, seelischen und sittlichen Wohlergehens sowie seiner körperlichen und geistigen Gesundheit zum Ziel haben.

Dazu müssen Kinder weitreichende Kenntnisse und Kompetenzen erwerben, denn das „Universum“ der neuen Medien – welches sich in jedes Kinderzimmer ausgebreitet hat – besitzt auch negative Seiten. Diese sind deshalb mit derselben Sorgfalt wie das nicht Berühren einer Herdplatte oder das Zurechtfinden im Straßenverkehr zu erlernen. Alles kann gefährlich sein, vom Verbrennen und Überfahren werden bis zum Cyber-Mobbing.

Die digitalen und interaktiven (Multi-)Medien eröffnen aber eine neue Welt der Information, Kommunikation, Kunst und Kultur. Sie sind eine weitere wichtige Dimension der Freiheit, aber auch ein besonders zu schützender Raum des Privaten, in dem kein Kind willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden darf.

Freiheit, Gewissen und Glaube (Artikel 14)

Wir Menschen können frei denken – und dies nicht erst als Erwachsene, sondern schon als Kinder. Dabei spielen vor allem die Eltern, die dem Kind in seinen ersten Lebensjahren die Sprache erlernen, Werte vermitteln und die „ganze Welt“ erklären, die entscheidende Rolle. Der Einfluss, der hierbei auf Kinder ausgeübt werden kann, ist – im Guten wie im Bösen – unvorstellbar groß! Deshalb erkennt der Staat ausdrücklich das Recht eines jeden Kindes auf Gedankenfreiheit an.

Die Inhalte der Gedanken und die Art des Denkens werden bei immer mehr Kindern aber vom Staat mit seinen Bildungs- und Erziehungsgesetzen für Kinderkrippen und -gärten sowie Lehrplänen für die Schule vorgegebenen. Die Macht über die „Köpf““ der Kinder kann dabei missbraucht werden, um von klein an „hörige Staatsbürger“ und „arbeitssame Konsumenten“ heranzuziehen.

Zudem besteht die Gefahr, dass eines der wichtigsten Elternrechte, die Erziehung ihrer Kinder, vom Staat übernommen wird. Ein Angriff auf Eltern, Familien und die freie Entwicklung der Kinder, wie sie die Vereinten Nationen in dieser Kinderrechtserklärung vorgegeben haben.

Die Freiheit der Gedanken und des Denkens ist auch hier noch nicht alles. Der Staat muss ebenso die Freiheit des Gewissens und der Religion anerkennen.

Das Gewissen – die inneren Überzeugungen und Werte, die das auf Erfahrung und Wissen beruhende Denken und Verhalten eines Menschen prägen und leiten – hat seine Wurzeln in der Welt der Gefühle, Träume und Fantasien, im Verhalten, Bewerten und Urteilen der Vorbilder sowie den Geboten und Gesetzen der sozialen Gruppe. Diese werden ebenso entscheidend durch die Personen vermittelt, die einem Kind die Sprache und das Denken erlernen. Auch hier können Erwachsene eine böse Macht über Kinder ausüben, in dem sie ihnen – sogar lebenslang wirksam – ein „schlechtes Gewissen“ machen.

Über das Erleben des Alltages weit hinausreichend erfuhren unsere Vorfahren zudem eine „überweltliche“ Dimension, die Welt des Glaubens und der Religionen. An einen anderen glauben und ihm vertrauen sowie sich auf jemanden sicher verlassen können – hierauf gründen sich die emotional-sozialen Werte, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft ermöglichen.

Dabei sind Sätze von Eltern an ihr Kind wie „Wir glauben an Dich“ oder „Wir sind immer für Dich da“ prägend für die Ausbildung von Selbstwert und Selbstsicherheit. In diesem Sinne können die aus dem Glauben heraus entstandenen Weltreligionen mit ihren Gründern und Göttern als „übergeordnete Eltern“ für alle an sie glaubenden Menschen angesehen werden – Eltern, die das Gute und Gütige vermitteln sowie Hilfe, Schutz und Sicherheit versprechen.

Gedanken, Gewissen und Glaube sind entscheidend für Freiheit, Selbstachtung, Toleranz, Mitmenschlichkeit und Wohlbefinden. Sie sind private Bereiche eines jeden Menschen, seiner Familie und seiner sozialen Gruppe. Dabei achtet der Staat die Rechte und Pflichten der Eltern, das Kind bei der Ausübung dieses Rechts (auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise zu leiten.

Ausblick

In den ersten Lebensjahren geht es um ein vorbildliches Verhalten der Eltern, um das Vorleben von Lebensfreude, Sinn, Anerkennung, Respekt und Verantwortung. Nach der Familien- und Kindergartenzeit steht aber für jedes Kind eine ganz neue Welt an, die der Schulzeit und ihrer Bildungsziele …


Weitere Teile der Serie:

Teil 1: Die Vorgeschichte

Teil 2: Die Präambel

Teil 3: Prinzipien und Wohlergehen

Teil 4: Mittel und Umfang

Teil 5: Eltern und Verantwortung

Teil 6: Flucht und neue Familie

Teil 7: Sicherheit und Gesundheit

Teil 9: Schule, Bildung, Leben


Die Beitragsserie erschien zuerst auf neue-debatte.com, Kooperationspartner von Unsere Zeitung.

Titelbild: Neville Wootton (flickr.com), Lizenz: CC BY 2.0

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