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Klima + Krieg ≠ Klimakrieg

Was wir über die Zusammenhänge wissen und was nicht

Von Thomas Roithner

Thomas Roithner: Kolumnist für „Unsere Zeitung – DIE DEMOKRATISCHE.“ (Foto: privat)

Einen Friedensnobelpreis erhält, wer sich – nach Maßgabe von Alfred Nobel – für die Verbrüderung der Völker, die Abschaffung stehender Heere oder für Friedenskongresse engagiert. 2007 ging der Preis an das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und an Al Gore „für ihre Bemühungen, ein besseres Verständnis für die von Menschen verursachten Klimaveränderungen“ zu erzielen. Auch dem Preis an Wangari Maathai im Jahr 2004 wohnte eine ökologische Botschaft inne. Die Zusammenhänge von menschlich verursachter Klimaerhitzung und Friedensgefährdung sind jedoch „komplex und widersprüchlich“, so das aktuelle Friedensgutachten der vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute.

Stressfaktor Klimawandel

Erwiesen ist, dass der Klimawandel in konfliktträchtigen Lagen als „Stressfaktor und Risikomultiplikator“ gilt, so die Friedensforscher*innen. Das Risiko von bewaffneten Konflikten ist – so auch Jürgen Scheffran – in jenen Regionen höher, die ein geringes Pro-Kopf-Einkommen aufweisen, von starker Ungleichheit geprägt sind, die ethnisch polarisiert sind, wo politische Exklusion ausgeprägt ist, in denen die Staatlichkeit fragil ist, die vormals Konflikte bereits gewaltförmig ausgetragen haben und ein Mangel an Institutionen zur Konfliktbearbeitung vorherrscht.

Unter bestimmten Konstellationen erhöht der Klimawandel also das Risiko für bewaffnete Konflikte, kann jedoch auch zur Zusammenarbeit und zu Verträgen führen. Länger andauernde Klimaveränderungen können Akteure auch zur Entwicklung von Methoden des Umgangs mit den Ausprägungen von Konflikten veranlassen.

Nexus Klima und Gewalt?

Stark vereinfachte Thesen, dass der „Klimawandel notwendig zu mehr Gewalt und Krieg führe, sind nicht haltbar“, so das Friedensgutachten. Er beeinträchtigt Lebensbedingungen, „steigert das Konfliktrisiko und erschwert nachhaltige Friedenssicherung“, seine „Bedeutung für Gewaltkonflikte ist aber bisher eher gering.“ Das „bislang“ sollte hier nicht untergehen.

Dargelegt wird auch, dass die bisherigen Auswirkungen des Klimawandels „möglicherweise nicht identisch mit den zukünftigen“ sind. Werden Klimaziele allerdings verfehlt, mache dies auch Gewaltkonflikte wahrscheinlicher und destabilisierende Verstärkereffekte werden befördert. Und weiter differenzierend: „Während gravierende Auswirkungen des globalen Klimawandels auf menschliche Sicherheit absehbar sind, gilt dies für die nationale oder internationale Sicherheit nur bedingt.“

Die Faktoren und Mechanismen mit denen Klimawandel und Konflikte verbunden sind, gestalten sich vielfältig. In der jungen Vergangenheit haben bei der grenzüberschreitenden Wassernutzung kooperative Maßnahmen die konfrontativen übertroffen. Bislang jedenfalls. Der Klimawandel wirkt sich auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus, was wiederum einen Einfluss auf Gewaltkonflikte nehmen kann. Die gebotenen Handlungsspielräume zur Konfliktprävention sind zu nützen. Eine unterschiedliche Datenbasis liegt – mitunter der unterschiedlichen Definitionen geschuldet – auch zum Zusammenhang von extremen Wetterereignissen und gewaltsam ausgetragenen Konflikten vor. „In vielen Fällen“, so Jürgen Scheffran resümierend, „wirkt die Umwelt nicht als primäre Ursache, sondern als Katalysator oder Verstärker bestehender Konflikte“.

Kontroverse Fallbeispiele

Einige Autoren bezeichneten den Krieg in Darfur als „Klimakrieg“. Ebenso wurde auch ein direkter Zusammenhang von der Dürre in Syrien und dem Krieg hergestellt. Über die zwingenden Zusammenhänge herrscht allerdings eine wissenschaftliche Kontroverse. Nicht selten stellt der Klimawandel nicht den Auslöser oder den dominanten Faktor dar, sondern eine „Hintergrundbedingung“. Bei fortschreitendem Klimawandel können sich die Folgen und die Gewaltkonflikte auch gegenseitig verstärken. Dabei spielen wieder die ökonomische, soziale und (verteilungs-)politische Situation eine ganz wichtige Rolle.

Wichtig erscheint bei der Betrachtung des Zusammenhangs von Klima und kriegerischer Gewalt nicht nur ein bunter Strauß an weiteren Konfliktursachen, sondern auch, dass die unterschiedlichen Akteure, Folgen, Formen, untersuchte Zeiträume oder regionale Differenzierungen von Gewalt berücksichtigt werden.

Versicherheitlichung und „Klimakriege“

Michael Brzoska warnt vor einem „politischen Bumerang“, den Klimawandel als Gewaltursache zu betonen. Es droht das Risiko einer „securitization, einer vorschnellen Einordnung eines Problems als Sicherheitsproblem.“ Brzoska beschreibt Versicherheitlichung „den klassischen Instrumenten der Sicherheitspolitik – Rüstung, Streitkräfte, Gewalt – übermäßiges Gewicht einzuräumen und damit andere Optionen aus dem politischen Diskurs zu verdrängen.“

Auch in der EU wurde Klimawandel bisweilen zum Problem für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik erklärt, Maßnahmen der Versicherheitlichung diskutiert und wie Formen der Machtprojektion im Kontext des Umweltschutzes durchgesetzt werden können. Michael Brzoska plädiert, den Klimawandel „vorrangig als politisches und Entwicklungsproblem zu sehen.“ Den Begriff des Klimakrieges ins Zentrum der Debatte zu rücken, kann gefährliche militärische Reaktionen nach sich ziehen.

„Traditionelle sicherheitspolitische Instrumente, insbesondere Rüstung und Militär, sind für die Bewältigung der Klimakrise ungeeignet, belasten die Umwelt und stehen einer friedlichen Konfliktlösung im Weg“, so das Friedensgutachten. Stattdessen fasst Brzoska unterschiedliche Studienergebnisse empfehlend zusammen: Stärkung der Institutionen (der Konfliktregelung) in schwachen Staaten, Verbesserung der Rechtstellung von Umweltflüchtlingen oder die Finanzierung von Präventionsmaßnahmen. Bei letzterem müssen early warning und early action ineinandergreifen.

Klimafriedenspolitik

Allgemein fasst das Friedensgutachten zusammen: „Kooperation, lokal wie national und international, ist eine Voraussetzung für die Begrenzung des Klimawandels, während Konflikte das Ausmaß der Klimakrise verschärfen.“ Die Thematik ist auch im Rahmen der UNO angekommen. Und der zentrale Punkt ist leichter gesagt als getan: Klimawandel bestmöglich zu vermeiden gilt als vorausschauende Friedenspolitik.

Literaturtipps:

  • Bonn International Center for Conversion (BICC), Leibnitz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Institut für Entwicklung und Frieden (INEF): Friedensgutachten 2020. Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa, transcript, Bielefeld 2020.
  • Scheffran Jürgen: Klimawandel als Sicherheitsrisiko?, in: Jäger Thomas (Hrsg.): Handbuch Sicherheitsgefahren, Springer VS, Wiesbaden – Berlin 2015, S. 105-122.

Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig. Sein Buch „Flinte, Faust und Friedensmacht. Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der EU“ ist bei myMorawa erschienen.

Titelbild: Bild von Anja🤗#helpinghands #solidarity#stays healthy🙏 auf Pixabay


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