„Du bist immer so egoistisch, wie kannst du mir das antun!“
„Emotionale Erpressung – Wenn andere mit Gefühlen drohen.“ (Susan Forward) – Ein Buch über die Tücken und die Dynamik von emotionaler Erpressung. Wie man sie erkennt, was die Beweggründe des Erpressers sind und was für Handlungsmöglichkeiten dem Opfer offen stehen. Und das Wichtigste: Wie man dem Teufelskreis dieser gefährlichen Manipulation entkommt und für beide ein positiveres Verhältnis entstehen kann. – Sonntag ist Büchertag
Von Sonja Beier
Die Autorin Susan Forward, selbst erfahrene Psychologin, schildert aus ihrer Erfahrung unterschiedliche Situationen, in denen sich aus einer zwischenmenschlichen Beziehung ein Erpressungsverhältnis entwickelt hat. Das sind in vielen Fällen Partnerschaften, aber auch familiäre, freundschaftliche und berufliche Beziehungen. Forward macht dabei einen großen Unterschied zwischen persönliche Grenzen ziehen, die auch hart sein können und Konflikte aufkeimen lassen können, und der emotionalen Erpressung. Erpressungen haben immer zum Ziel, dem Erpressungsopfer, Schuldgefühle einzureden, wenn dieses auf die Wünsche des Erpressers nicht eingeht. So kann es sein, dass die selbstbewusstesten Menschen ein Schatten ihrer selbst werden und ständig Angst vor ihrem eigenen schlechten Gewissen haben, obwohl es nüchtern betrachtet keinen Grund dafür gibt.
Ganz sicher ist, dass jeder Mensch, sogar Kinder, schon einmal mit dieser schweren Form der emotionalen Manipulation konfrontiert wurden. Um ein paar typische Sätze zu nennen:
„Du bist Schuld, dass ich mich schlecht und ungeliebt fühle!“
„Du denkst immer nur an dich und meine Gefühle sind dir egal“
„Schau dir XY an, der/die nimmt sich im Gegensatz zu dir mehr Zeit für mich“
„Wieso siehst du das so negativ, es ist doch nur das beste für dich“.
Laut Forward alles erpresserische Ausdrücke, die keine klaren Wünsche oder Bedürfnisse formulieren. Kommt das selten vor, besteht kaum ein Grund zur Sorge. Stehen solche Aussagen aber auf der Tagesordnung, entsteht schon bald beim anderen ein Nebel aus Angst, Druck und Unsicherheit und heben ihn vom Boden der Realität ab. Obwohl man ein ungutes Gefühl hat, wenn man dem Erpresser alles Recht macht, hält man die eigenen Schuldgefühle, es NICHT zu tun, kaum aus. Denn häufig hat man ein sehr intimes Verhältnis zum Erpresser und tiefe Gefühle.
Doch die Autorin beschreibt nicht nur die Definition, die verschiedenen Formen und die Mittel der emotionalen Erpressung, sondern auch, was sich im Inneren des Erpressers und des Opfers abspielt. Trotz der glasklaren, harten Bezeichnungen und Analysen schafft sie es, das Handeln des Erpressers besser zu verstehen, ihn nicht als Monster zu sehen und im zweiten Teil des Buches lernt man Strategien, sich gegen die Erpressung zu wehren. Die wichtigsten Schritte dazu sind neben der Erkenntnis, DASS man mit Gefühlen erpresst wird, einen schrittweisen Wiederaufbau des Selbstwertgefühls, das Erlernen eines klaren „Nein“ und den Ausbruch aus dem endlos erscheinenden Sog der Schuldgefühle. Die Schuldgefühle sind das stärkste und fundamentalste Mittel des Erpressers. Wenn man diese nicht mehr hat, ist er machtlos und damit ist die Basis geschaffen, nach und nach wieder ein gesundes zwischenmenschliches Verhältnis aufzubauen. Dieser Prozess beansprucht Zeit, davor soll gewarnt sein.
Persönlich kann ich dieses Buch jedem weiter empfehlen. Es ist verständlich, mitreißend, öffnet einem die Augen und stärkt. Emotionale Erpressung kann einem ÜBERALL begegnen und bestimmt hat auch jeder schon ab und an selbst davon Gebrauch gemacht.
Ein Kritikpunkt wäre, dass die soziale Zusammensetzung der realen Fallbeispiele (Börsenmaklerin, Chirurg, Drehbuchautorin etc.) nicht dem Großteil der Bevölkerung entspricht, was darauf schließen lässt, dass es einiges an Geld kostet, sich psychologische Beratung von Susan Forward zu holen.
Anmerkung: Das Wording „Erpresser“ und „Opfer“ wurde aus dem Buch übernommen, genauso wie die nicht-gendergerechte Sprache.
Susan Forward, Donna Frazier Glynn
Emotionale Erpressung – Wenn andere mit Gefühlen drohen
Aus dem Amerikanischen von Diane von Weltzien
Taschenbuch, Broschur, 352 Seiten
ISBN: 978-3-442-15089-2
Verlag: Goldmann
Coverfoto: Sonja Beier; Titelbild: pexels.com (CC0 Lizenz)
Sonntag ist Büchertag
Bisher:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
- „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
- „Der Aufstand des Gewissens“ (Jean Ziegler)
- „Superhenne Hanna“ (Felix Mitterer)
- „Die Diktatur des Kapitals“ (Hannes Hofbauer)
- „Die schützende Hand“ (Wolfgang Schorlau)
- „Hitler war kein Betriebsunfall“ (Emil Carlebach)
- „Heldenplatz“ (Thomas Bernhard)
- „Zwölfeläuten“ (Heinz R. Unger)
- „MARX“ – Graphic Novel (Corinne Maier, Anne Simon)
- „Gefährliche Bürger“ (Christoph Giesa und Liane Bednarz)
- „Ändere die Welt. Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (Jean Ziegler)
- „Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee“ (Dietmar Dath & Barbara Kirchner)
- Die Viertel der Reichen (Louis Aragon)
- „Wie Italien an die Räuber fiel“ (Gerhard Feldbauer)
- „berlin. bleierne stadt“ (Jason Lutes)
- „Das war Österreich“ (Robert Menasse)
- „Narr“ von Schilddorfer & Weiss
- „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ (Klaus Zeyringer)
- „Reisen in das Land der Kriege“ (Kurt Köpruner)
- „The magic Pen – Der Zauberstift“ (Kathrin Steinbacher)
- „Rückkehr nach Reims“ (Didier Eribon)
- ISLAMISCHER STAAT & Co. (Werner Ruf)
- „Die Welt von gestern – Erinnerungen eines Europäers (Stefan Zweig)
- Freud und das Politische (Moshe Zuckermann)
- „LONDON. Unterwegs in einer umkämpften Metropole“ (Peter Stäuber)
- „Der Tote im Bunker“ (Martin Polack)
- „Antonia war schon mal da“ (Patrick Wirbeleit)
- „Hinter den Barrikaden – Eine Reise durch Nordkurdistan im Krieg“ (Lower Class Magazine)
- „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“ (Peter Nowak)
- „Die Wut wächst“ (Oskar Lafontaine)
- „Postkapitalismus“ (Paul Mason)
- Proleten, Pöbel, Parasiten (Christian Baron)
- „Jenseits von 1984″ (Sandro Gaycken)
- „Erinnerungen aus dem Widerstand“ (Margarete Schütte-Lihotzky)
- CETA – Lesen und verstehen. (Analyse des EU-Kanada-Freihandelsabkommens)
- Die globale Überwachung (Glenn Greenwald)
- „Die Wörter fliegen“ (Jutta Treiber)
- „erfasst, verfolgt, vernichtet“ (Ausstellungskatalog)
- „Verwirrung der Gefühle“ (Stefan Zweig)
- „Kalendergeschichten“ (Bertolt Brecht)
- „Kryptozän“ (Pola Oloixarac)
- „Die Europäische Union“ (Andreas Wehr)
- Ich war Zwangsarbeiterin bei Salamander (Vera Friedländer)