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Eine Lobeshymne auf die Mathematik

Rezension zu „Mathematik für Sonntagmorgen“ von George Szpiro – Sonntag ist Büchertag

Von Sonja Beier

Fünfzig Geschichten und Anekdoten über den Ursprung wichtiger mathematische Formeln und das Leben berühmter MathematikerInnen, die liebevoll und erhellend geschildert werden. Für bereits mathematikaffine Leser ein Traum aus Papier und Druckerschwärze, für Unerfahrene vermutlich ein spannender Ausflug in ein Paralleluniversum.

„Wenn ein Partylöwe bei einer Cocktailparty mit einem lateinischen oder altgriechischen Spruch brilliert, gilt er als geistreich und belesen. Mit dem Aufsagen einer mathematischen Formel kann hingegen nicht viel Staat gemacht werden. Außer einigen mitleidigen Blicken erntet man höchstens noch den Ruf eines Fachidioten. Unter dem zustimmenden Gemurmel der Umstehenden gibt ja fast jedermann bereitwillig zu, dass er in Mathematik nicht gut ist, nie war, und nie sein wird. Das gehört schon fast zum guten Ton. Eigentlich ist das erstaunlich“, heißt es gleich auf der ersten Seite des Buches. Diese Zeilen regen zum Nachdenken an. Jeder kann sich bestimmt schon an Gespräche erinnern, in denen kluge, gebildete Menschen aussagen, in Mathematik schon immer schlecht gewesen zu sein. Das ist mehr als schade! So haben wir sehr viele der heutigen Errungenschaften, von Computern bis hin zu astronomischen Erkenntnissen, der Mathematik und ihrer VertreterInnen zu verdanken. Wobei leider gesagt werden muss, dass es historisch gesehen mehr Männer als Frauen waren, die zu berühmten MathematikerInnen wurden, da Frauen jahrhundertelang der Zugang zu dieser Disziplin verwehrt wurde. George Szpiro betont in seinem Buch „Mathematik für Sonntagmorgen“ extra, wenn es sich um eine Mathematikerin handelt, um darauf aufmerksam zu machen, dass beide Geschlechter das Zeug dazu haben, brillante Einfälle zu haben.
Jene, die bereits viel Erfahrung mit höherer Mathematik und komplizierten Rechnungen haben, werden sich mit dem Buch dennoch nicht langweilen. Denn allzu oft vergessen wir, dass hinter der Entwicklung Einzelschicksale stehen. Wer hätte beispielsweise gewusst, dass es nicht nur einen berühmten Mathematiker (heute wäre er vermutlich ein theoretischer Physiker) Bernoulli gibt, sondern eine Generationen-übergreifende Bernoulli-Dynastie. Unter den Brüdern und Vätern Bernoulli wurde gestritten bis zum geht nicht mehr, getrieben durch Missgunst und Neid. In den allermeisten Fällen wird Daniel Bernoulli gemeint sein, der das bahnbrechende Werk „Hydrodynamica“ veröffentlichte, welches zur Beschreibung von strömenden Flüssigkeiten dient. Im Übrigen war er einer der wenigen Bernoullis, der keinen Drang sah, gegen seine eigene Familie zu kämpfen.
Doch nicht nur die persönlichen „Backround-Stories“ unterhalten, sondern auch tatsächliche mathematische Rätsel, die gelöst oder ungelöst sein können, wie etwa die„Poincaré’sche Vermutung“ oder das „Basel-Problem“. Besonders bemerkenswert sind die gewitzten Überschriften der Kurzgeschichten: „Gruppen, Grüppchen und Monstergruppen“, „20 Jahre für einen Beweis des Beweises“ um nur ein paar zu nennen. Es ist nicht zu überlesen, dass der Author Freude am Schreiben und der Materie hat und diese wird dem Leser gut vermittelt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch besonders für bereits mathematisch Interessierte Leute regelrecht ein „Must have“ ist. Voraussetzung ist allerdings, dass man Matura-Niveau hat (was nicht heißt, dass man sich alles aus der Schule gemerkt haben muss, um das Buch zu verstehen). Für jene mit weniger Hingabe für diese Disziplin scheitert es bestimmt nicht an der Komplexität der Kurzgeschichten, sondern eben jenem Phänomen, welches zu Beginn geschildert wurde, nämlich die kategorische Ablehnung von allem, was mit Zahlen und Formeln zu tun hat. Kleiner Tipp: Probiert es wenigstens, liebe LeserInnen!

George Szpiro
Mathematik für Sonntagmorgen
Zürich, 2004
Verlag Neue Zürcher Zeitung
(heute: Piper)
238 Seiten
ISBN: 9783492251150

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